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Glutenunverträglichkeit:

Zöliakie nimmt in Europa zu

Die Zahl der Betroffenen mit Zöliakie steigt in Europa an. Dabei wird die Glutenunverträglichkeit oft übersehen oder die Symptome falsch eingeschätzt.

Marie Stock mit ihren Glutenfreien Nahrungsmittel

Glutenfreie Nahrungsmittel auf dem Speiseplan. Die kleine Marie Stock gehört zu den 1% Europäern die unter Zöliakie leiden. Bild: © picture-alliance / dpa

Zöliakie, eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem auf Gluten reagiert, schädigt auf Dauer den Darm und kann in jedem Alter auftreten. Gluten ist ein Eiweiß, das in Getreide wie Roggen, Weizen und Gerste vorkommt. Manche Menschen vertragen auch keinen Hafer. Zöliakie ist nicht heilbar. Einzige Behandlungsmöglichkeit ist eine glutenfreie Ernährung.

Anzahl der europäischen Zöliakiepatienten steigt

In Europa sind etwa ein Prozent aller Erwachsenen und Kinder Zöliakier. Die Verbreitung in den europäischen Ländern ist allerdings sehr unterschiedlich. In Finnland leiden beispielsweise 2,4 Prozent der 30 bis 64-Jährigen an Zöliakie. Das ist acht Mal höher als in Deutschland. Hierzulande liegt die Quote bei 0,3 Prozent. Als Ursache werden sowohl genetische als auch umweltbedingte Faktoren vermutet. In Finnland hat sich die Krankheitshäufigkeit in den letzten zwanzig Jahren verdoppelt. Und das beruht nicht nur auf besserer Diagnostik.

Zöliakie wird immer noch zu wenig erkannt oder falsch diagnostiziert, was für die Betroffenen auf Dauer riskant ist. Die Symptome sind oftmals kaum oder gar nicht vorhanden oder nur sehr unspezifisch. Häufig werden die Beschwerden wie Durchfälle und Verstopfung im Wechsel, Blähungen und Bauchschmerzen einem Reizdarmsyndrom zugeordnet, weil angenommen wird, dass Zöliakier meist untergewichtig sind. Doch Patienten mit Glutenunverträglichkeit können durchaus normal- oder sogar übergewichtig sein.

Zöliakietests werden zurzeit nur für Betroffene empfohlen, die entsprechende Beschwerden oder mit Zöliakie in Verbindung stehende Krankheiten wie Osteoporose oder Eisenmangelanämie haben. Auch Menschen mit einem erhöhten Risiko auf Glutenunverträglichkeit durch Vorerkrankungen wie Typ 1 Diabetes, autoimmuner Schilddrüsenunterfunktion oder deren Eltern oder Geschwister an Zöliakie leiden, werden in der Regel untersucht. Bevor nämlich lebenslang auf Gluten verzichtet werden muss, sollte durch eine Blutuntersuchung und eine Dünndarmbiopsie die Diagnose bestätigt werden.

Glutenfreie Ernährung – eine lebenslange Aufgabe bei Zöliakie

Ist die Diagnose Zöliakie gestellt, bleibt den Betroffenen nichts anderes übrig als dauerhaft auf glutenhaltige Lebensmittel zu verzichten. Nur so kann sich der Dünndarm erholen. Zu den Nahrungsmitteln, die viel Gluten enthalten gehören Backwaren wie Brot, Kuchen, Kekse, Frühstückszerealien, Pizza und Nudeln. Gluten wird aber auch Lebensmitteln wie Würstchen, Soßen, Suppen und Brühwürfeln zugesetzt.

Von Natur aus glutenfrei sind Fisch, Fleisch, Eier und Milchprodukte, Gemüse, Obst, Bohnen, Reis, Mais, Kartoffeln, Buchweizen und Quinoa. In den letzten Jahren sind auch spezielle glutenfreie Ersatznahrungsmittel wie Brot, Mehl, Nudeln und Cracker auf den Markt gekommen und können in manchen Ländern sogar per Rezept verordnet werden. Wer sehr empfindlich auf Gluten reagiert, sollte glutenfreie Lebensmittel mit separaten Küchenutensilien verarbeiten, damit es nicht zu Verunreinigungen kommt.

Gluten muss auf der Zutatenliste stehen

Die Lebensmittelproduzenten sind verpflichtet, glutenhaltige Zutaten auf dem Etikett anzugeben. Ab 2014 müssen glutenhaltige Getreide in der Zutatenliste sogar besonders hervorgehoben werden. Das gilt auch für unverpackte Lebensmittel, beispielsweise in Restaurants.

Lebensmittel, die als »glutenfrei« deklariert werden, dürfen maximal 20 Milligramm Gluten pro Kilogramm enthalten. Bei einem Glutengehalt zwischen 20 und 100 Milligramm pro Kilogramm darf immer noch »sehr niedriger Glutengehalt« auf dem Etikett stehen. Die Nahrungsmittelhersteller haben die Pflicht, ihre Produktionsverfahren so anzupassen, dass Verunreinigung durch glutenhaltige Nahrungsmittel ausgeschlossen wird. Dafür dürfen sie ihre Produkte mit dem Handelssymbol des durchgestrichenen Korns kennzeichnen. Das Symbol ist weltweit bei Zöliakiern bekannt und hilft Verbrauchern, die für sie richtigen Produkte auszuwählen.

Neu Präventionsmaßnahmen und Behandlungen

Eine kürzlich erschienene Studie empfiehlt, Säuglinge langsam an glutenhaltige Lebensmittel zu gewöhnen. Dazu soll zwischen dem vierten und siebten Lebensmonat stufenweise glutenhaltige Nahrung in den Speiseplan der Kinder eingebaut werden. Die Gewöhnung soll noch während der Stillzeit durchgeführt werden. Die Experten vermuten, dass das die Entwicklung von Zöliakie verhindern oder zumindest verzögern könnte. Zur Erleichterung einer glutenfreien Ernährung wird auch an genetisch verändertem Weizen gearbeitet, der kein Gluten mehr enthält. Zusätzlich laufen Forschungen an Arzneimitteln und Impfstoffen, die die Schädigung des Dünndarms vermeiden sollen.

Quellen: European Food Information Council (EUFIC)
Szajewska H et al. (2012). Systematic review: early infant feeding and coeliac disease prevention. Aliment Pharmacol Ther 36(7):607–18, doi: 10.1111/apt.12023

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Über Angelika Lensen

Angelika Lensen ist gelernte Bürokauffrau und hat Betriebswirtschaft an der FH studiert. Seit 2010 arbeitet Angelika Lensen als freie Autorin und Journalistin. Neben ihrer Tätigkeit als Redakteurin beim Artikelmagazin, publiziert sie auch Beiträge für andere Online- und Printmedien mit Schwerpunkt Gesundheit, Medizin, Ernährung, Wissenschaft, Naturheilkunde.