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Phytotherapie:

Klosterheilkunde – Die Klostermedizin feiert ihr Comeback

Statt Pillen und Tabletten zu schlucken, besinnen sich immer mehr Menschen der Klosterheilkunde. Die Klostermedizin findet weltweit immer mehr Anhänger.

Heilkräuter im KlosterEs kommt nicht so häufig vor, dass in der katholischen Kirche eine Frau zu hohen Ehren gelangt. Bei der Benediktinerin Hildegard von Bingen ist dies jedoch anders. Sie gehört heute zu den bekannten historischen Frauenfiguren. Und obwohl ihr Name noch vor drei Jahrzehnten fast nur Historikern geläufig war, entwickelte sich in den vergangenen Jahren ein wahrer Kult um die Äbtissin, Mystikerin und Heilkundige.

Sie gilt als wichtigste Vertreterin der so genannten Klostermedizin, einer medizinischen Richtung, die sich an den Erkenntnissen der mittelalterlichen Nonnen und Mönche, vornehmlich ihrer Kräuterkunde, der Phytotherapie (und heutzutage weniger an der so genannten Viersäftelehre, der Humoraltherapie) orientiert.

Ob diese Richtung eher ein Rückschritt ins finstere Mittelalter ist oder eine notwendige Korrektur unserer hochtechnisierten Medizin darstellt, wird in Deutschland zur Zeit gerade hitzig diskutiert. Und obwohl diese Diskussion noch lange nicht zu Ende ist, ist bereits heute eines sicher: In den Informationen, die von den Klöstern im Laufe der Jahrhunderte angesammelt wurden, gibt es noch einiges an (verborgenen) Schätze zu heben.

Klostermedizin historisch: Das Erbe der antiken Medizin

Getrocknete Kräuter und ein Mörser Geschichtlich betrachtet, hat sich die Klostermedizin aus den Überresten der griechisch-römischen Medizin entwickelt. Als nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches die antike Medizin praktisch aus dem alltäglichen Leben verschwunden war, wurde die Heilkunde sehr rasch von der katholischen Kirche übernommen.

529 gründete Benedikt von Nursia (ca. 480-547) nördöstlich von Capua das Kloster Monte Cassino, das spätere Stammkloster des Benediktinerordens. In seinen Ordensregeln legte er fest, dass die Krankenpflege zu den wichtigsten Aufgaben der Klöster gehörte.

Auch Kaiser Karl der Große (ca. 747-814) förderte die Klosterheilkunde intensiv und gab sogar in der Landgüterverordnung „Capitulare de villis“ genaue Anleitungen über Anlage, Inhalt und Pflege von Klostergärten.

Nachdem die Klöster mehr und mehr die Ausübung der Heilkunde übernommen hatten, erwarben die Mönche und Nonnen immer tieferes Wissen über Pflanzen, Kräuter und medizinische Behandlungsverfahren. Im Hochmittelalter waren sie neben Hebammen und Badern praktisch die einzigen, die für die medizinische Versorgung der Bevölkerung zuständig waren. Erst in der Frührenaissance verlor die Klostermedizin an Bedeutung und wurde allmählich durch die Medizin der Universitäten ersetzt.

Heilkräuter: die Grundlage der Klosterheilkunde

Eine Kräuterfrau im Mittelalter Wesentlichstes Element der Klosterheilkunde ist die Kräuterheilkunde. Auf der römischen und griechischen Heilkunde aufbauend, erforschten die Nonnen und Mönche des Mittelalters die Welt der Heilpflanzen und gaben ihr Wissen zunächst mündlich weiter.

Ab dem 9. Jahrhundert entstanden allmählich auch Bücher über Kräuterheilkunde. So beschrieb etwa das mittelalterliche Standardwerk „Macer floridus“ (ca. 1100), das auch unter dem Titel „De viribus herbarum“ (Von den Kräften der Kräuter) bekannt ist, 77 Heilpflanzen und ihre Wirkungen in lateinischen Hexametern. In diesem Werk werden zu ersten Mal die Kräuterheilkunde und die Viersäftelehre kombiniert.

Über den Autor streiten sich die Gelehrten: So wurde das Werk unter dem Pseudonym eines Aemilius Macer veröffentlicht, aber ab dem 12. Jahrhundert dem Mönch Odo de Meung (Odo Magdunensis) aus Meung sur Loire im heutigen Frankreich zugeschrieben. Tatsache ist jedoch, dass dieses Werk im Mittelalter weit einflussreicher war als das der Hildegard von Bingen.

Die heutzutage herausragendste Persönlichkeit der Klosterheilkunde ist jedoch ganz ohne Zweifel die Benediktinerin Hildegard von Bingen (1098-1197). Sie verfasste in der Zeit zwischen 1150 und 1160 ihr neunbändiges Standardwerk „Physica; Causae et Curae“ in dem sie Pflanzen, Tiere, Mineralien und Metalle bezüglich ihrer Heilkraft beschreibt. Ihre Säftelehre umfasst eine eigene medizinische Theorie und gilt als eines der großen Werke der Klosterheilkunde.

Klosterheilkunde heute

Kräutermedizin: Verschiedene Kräuter für einen Tee Gerade in Zeiten in denen die Medizin immer mehr von einer raffinierten Technik beherrscht wird, hat die alte Tradition der Klosterheilkunde wieder an Bedeutung gewonnen. Die Renaissance der „Hildegard-Medizin“ ist nur eines der vielen Aspekte dieser Entwicklung.

Heute interessieren sich selbst Universitäten für dieses Thema. So forschen beispielsweise am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg Mediziner, Botaniker, Chemiker, Pharmazeuten und Historiker gemeinsam an der Geschichte der Heilkräuter in Europa. Sie überprüfen in Arbeitsgruppen historische Texte und untersuchen die beschriebenen Pflanzen aus heutiger medizinischer Sicht.

Aber auch die Öffentlichkeit interessiert sich dafür: Populäre Bücher wie das „Handbuch der Klosterheilkunde“, die Neuausgabe des Macer floridus als „Kräuterbuch der Klostermedizin“,„Die kleine Klosterapotheke“, „Heilkraft der Klosterernährung“ oder „Fasten nach der Klosterheilkunde“ zeugen vom Interesse am überlieferten Wissen, das man in den eigenen Alltag einbinden kann. Nach über 500 Jahren im Dornröschenschlaf feiert die Klostermedizin so ihr Comeback.

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