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Doktorspiele:

Gesundheits-Apps ohne seriöse Diagnose

Immer mehr Menschen checken ihre Gesundheit per Smartphone. Mediziner warnen davor, sich zu sehr auf Gesundheits-Apps zu verlassen.

Das Smartphone mit Gesundheits-Apps liefert keine seriösen Diagnosen.

Zum Frühstück wird per Handy und Gesundheits-Apps der Gesundheitszustand abgefragt. Bild: © istockphoto.com

Es gibt Tausende von Gesundheits-Apps. Manche dienen als Tagebücher, die den Blutdruck oder Vorsorgetermine überwachen. Andere Smartphone-Programme wollen Hautveränderungen auf Tumore untersuchen können – davor warnen Ärzte ausdrücklich.

Die Herzfrequenzkurve nimmt einen unruhigen Lauf – und das schon am frühen Morgen. Eine halbe Minute musste der Zeigefinger auf der Kameralinse des Smartphones verharren, bis das Handy der Testerin dann doch noch beste Gesundheit versichern konnte: Alles im grünen Bereich, meldet die App „Heart Rate“.

Das Smartphone als Gesundheitshelfer

Die Pulsmesser-App ist ein Beispiel von Tausenden. Allein in Deutschland soll es nach Angaben des Verbands der Telekommunikationshersteller Bitkom etwa 15 000 solcher „Medical Apps“ geben. Mit diesen können Nutzer auf Smartphones und Tablet-Computern ein Diagnosebild oder Krankheitsrisiko ablesen. Die Kamera wird zum Muttermal-Scanner, über den Lautsprecher werden Pieptöne für einen Hörtest abgespielt. Es gibt Apps mit Erinnerungsfunktion, die mahnen, den Blutzucker zu messen. Andere Applikationen zeigen Übungen, die Kreuzschmerzen lindern oder gar von vornherein vermeiden sollen.

Doch wie sinnvoll solche Smartphone-gestützten Gesundheitshelfer sind, ist unter Experten umstritten: „Der Nutzen und die Vertrauenswürdigkeit dieser Anwendungen variieren stark“, sagt Thomas Wetter vom Institut für Medizinische Biometrie und Informatik an der Uni Heidelberg.

Tatsächlich sehen manche Forscher im Smartphone die neue medizinische Assistenz. Diese könnte dazu führen, dass das Bewusstsein für die eigene Gesundheit gestärkt wird – beispielsweise indem man sich mit Hilfe der App an Vorsorge-Untersuchungen erinnern lässt. Zudem sind Auswertungen möglich, die auch für den Arzt interessant sind – beispielsweise bei Diabetes-Erkrankungen. „Gesundheits-Apps können die Arbeit des Arztes unterstützen“, urteilte jüngst Georgis Raptis, IT-Fachmann der Bundesärztekammer.

Längst tüfteln Wissenschaftler an ersten Therapie-Apps, die Patienten mit einer psychischen Störung Soforthilfe im Alltag geben sollen. Am Universitätsklinikum Heidelberg beispielsweise testen Psychotherapeuten derzeit im Rahmen einer Studie eine solche Anwendung. Auf das Handy von Patienten wird ein Programm gespielt, das ihnen helfen soll, sofort mit dem Klinikum Kontakt aufzunehmen. Droht ein depressiver Rückfall, rufen ihn die Therapeuten an oder raten ihm, sich Hilfe vor Ort zu suchen.

Fehldiagnosen inbegriffen

Allerdings bergen solche Anwendungen auch Risiken – vor allem bei Apps, die vorgeben, eine Diagnose oder gar Behandlungsvorschläge liefern zu können. Zwar betonen viele Anbieter, dass diese Programme keinen Arztbesuch ersetzen. „Aber diese Hinweise sind gut versteckt“, sagt Wetter. Meist hinter einer seriös wirkenden Fassade.

So zeigten verschiedene Studien, dass beispielsweise Hautkrebs-Apps häufig mit ihrer Diagnose falsch lagen – so etwas kann gefährlich werden: ärztliche Beratung und Betreuung fehlen. Patienten werden mit einem vielleicht besorgniserregenden Ergebnis allein gelassen. Oder die Gesundheits-Apps wiegen den Nutzer in falscher Sicherheit, weil ein gefährliches Melanom für harmlos erklärt wird. Unverlässlich sind auch die Hörtests via Smartphone, der Promille-Test sowie der angebotene Sehtest per Handy.

Für Experten wie Wetter ist klar: Mit solchen Diagnosen werden die Möglichkeiten medizinischer Apps überschritten. So gut ist die Entwicklung noch nicht. Zumindest nicht ohne zusätzliche Technik: So bieten Unternehmen eine kostenlose App zur Blutdruckmessung an, verbunden mit einer zum Smartphone passenden Blutdruckmanschette. Zwar bescheinigt die Stiftung Warentest genaue Blutdruckwerte wie bei herkömmlichen Messgeräten. Der Nachteil: Die Manschetten sind erst ab 100 Euro zu haben – und damit wesentlich teurer.

Gesundheits-Apps liefern teilweise falsche Diagnose

Dass es noch eine Weile dauert, bis sich Apps als medizinische Helferlein bewähren, zeigt noch ein weiteres Problem: Ob die Gesundheits-Apps tatsächlich auch die Gesundheit verbessern, ist wissenschaftlich nicht erwiesen. „Methoden und Standards, um einer Gesundheits-App ihren medizinischen Nutzen systematisch nachzuweisen und auch dass sie frei ist von unerwünschten Nebenwirkungen, stehen noch am Anfang“, sagt Thomas Wetter. „In dem Freigabeprozess für Apps durch Firmen wie Apple wird nur die technische Tauglichkeit, nicht aber die medizinische Wirksamkeit und Sicherheit überprüft.“ Auch das europäische Prüfsiegel CE, das einige Apps tragen, zeigt lediglich, dass die Anwendungen den allgemein gehaltenen Sicherheitsrichtlinien entsprechen.

Daher rät Wetter, genau auf den Anbieter zu achten. Unverdächtig sind Anwendungen von Krankenkassen, unabhängigen Vereinigungen wie etwa Patientenselbsthilfegruppen mit Fachbeirat oder medizinische Facheinrichtungen.

Die Seriosität des Anbieters ist auch deswegen wichtig, weil die Gesundheits-Apps mit persönlichen Daten gefüttert werden – oft ist unklar, was damit passiert. Gerade bei Anwendungen auf dem freien Markt ist es fraglich, ob sensible Informationen über Krankheiten gespeichert und sogar weitergegeben würden, so Wetter. Experten empfehlen, sich genau zu überlegen, welche Daten man preisgibt oder ob die Abfrage für die Funktion relevant ist.

Deutlich wird auch bei seriösen Anbietern: Medizinische Anwendungen auf dem Smartphone oder Tablet können motivieren, sich um die eigene Gesundheit zu kümmern. Aber eine richtige medizinische Diagnose kann nur der Arzt stellen.

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