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Wenn Sport den Kopf verletzt:

Schädel-Hirn-Traumata im Sport

Schädel-Hirn-Traumata sind im Breiten- und Leistungssport keine Seltenheit. Immer häufiger verletzen sich Sportler am Gehirn. Das kann Konsequenzen haben.

CRT von einem Schädel-Hirn-TraumaSport und Gesundheit – ein treffliches Feld, um sich so richtig in die Haare zu kriegen. „Sport ist Mord und Breitensport ist Massenmord“ wird von einer Seite ins Feld geführt und Winston Churchill muss meist als Beispiel herhalten: Er wurde 90 Jahre alt, rauchte wie ein Schlot und machte keinen Hehl aus seiner Einstellung zur körperlichen Ertüchtigung – „No sports.“ Die andere Seite hält mit Theresia von Avila dagegen: „Sei freundlich zu deinem Leib, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.“ und preist das tolle Körpergefühl und all die guten Auswirkungen auf die Persönlichkeit des Sporttreibenden.

Zu welchem Lager man auch immer gehören mag, eins sollte nie unter den Teppich gekehrt werden: Sport kann mächtig auf die Rübe gehen und einen buchstäblich Kopf und Kragen kosten.

Sport kann den ganzen Körper verletzen, auch das Gehirn

Wenn es um Sportverletzungen geht, denken die meisten Menschen an Mannschaftssportarten. Und das zu Recht, denn dort gehen in Zweikämpfen massenhaft Sportler in die Knie. Die Anführer im Verletzungssport sind Fußball, Hallenfußball, Handball, Volleyball, Basketball, Rugby und American Football. Besonders häufig treten Verletzungen des Bewegungsapparates auf, die sich mitunter auch für die Zukunft sportverhindernd auswirken, aber das Leben nicht unbedingt beeinträchtigen.

Das stellt sich anders dar, wenn es sich um Schädel-Hirn-Traumen (SHT) handelt, denn auch diese treten im Sport auf und zwar häufiger, als es zunächst scheint. Allerdings entscheidet die Sportkultur des Landes, welche Sportarten gefährlich sind. Geboxt wird weltweit, entsprechend treten deshalb auch weltweit neurologische Schäden auf. In Kanada hingegen werden die meisten Schädel-Hirn-Traumata beim Eishockey produziert, in den USA beim American Football. Schottland hingegen bietet Golf als kopfgefährlichen Sport an. Die genannten Sportarten werden in manchen Ländern sehr viel häufiger betrieben als in den anderen, das Risiko für Verletzungen verteilt sich entsprechend.

Schädel-Hirn-Trauma im Sport

Gerade im Boxsport kommt es häufig zu einem Schädel-Hirn-TraumaEin Schädel-Hirn-Traumata ist aus einem Grund keine sportliche Sache – im Schädel liegt das Gehirn und die Evolution hat es nicht umsonst so eingerichtet, dass diese komplexe und hochempfindliche Struktur derart gut geschützt wird. Dumm nur, wenn der Kopf Zusammenstößen bei Kämpfen um den Ball nicht gewachsen ist, bei Stürzen vom Pferd oder beim Skifahren nachgibt oder das Sportgerät einschlagende Wirkung hat. Beim Eishockey, Baseball und Kricket landen die Spielgeräte auch schon mal am Kopf der Spieler und machen diesen ohne Weiteres kaputt. Natürlich sind das keine beabsichtigten Verletzungen, sie können halt vorkommen und müssen in Kauf genommen worden. Das macht den Einzelfall aber nicht weniger tragisch. Forscher der Rechtsmedizin der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf nahmen sich diesem Problem an und veröffentlichten im Sommer 2011 ihre Erkenntnisse zu den sportunfallassoziierten Geschehnissen. Und beleuchteten auch gleichzeitig die erstmal merkwürdig anmutende Sitte der gewollten SHT. Es gibt nämlich durchaus Sportarten, in denen es erklärtes Ziel ist, neurologische Störungen hervorzurufen: selbstredend beim Gegner. Und um nicht zuerst von der dafür erforderlichen Wucht betroffen zu sein, hauen besonders Boxer und andere Kampfsportler dem Gegenüber an die Rübe. Dabei kann natürlich auch ein SHT entstehen, mitunter mit letalen Folgen. Der „Tod im Ring“ entsteht so, obwohl zur Ehrenrettung des Boxens angemerkt werden muss, dass sich in der Gesamtheit die Sterberaten und die Lebenserwartung der Boxer nicht von denen anderer Sportler unterscheidet.

Die chronisch-traumatische Enzephalopathie (CTE) im Sport

In den letzten Jahren wenden sich Mediziner neben den SHT immer mehr einem Phänomen zu, das ihnen im Grunde mehr Sorgen bereitet: Die beim Sport enstehenden geringfügigen chronisch-repititiven Traumata. An diesen sterben die Athleten zwar nicht, aber womöglich besteht ein Zusammenhang zwischen diesen chronischen SHT und späteren neurodegenerativen Prozessen. Gut 50 Fälle mit chronisch-traumatischer Enzephalopathie (CTE) sind in der Literatur beschrieben, 39 betrafen Boxer, fünf Aktive des American Football. Wer also immer wieder was auf die Rübe kriegt und kleine Läsionen erfährt, hat ein hohes Risiko für auffälliges Verhalten, Gedächtnisstörungen und Symptome, die einem Morbus Parkinson ähneln – 87 Prozent der Profiboxer sind davon betroffen. Ob die Parkinson-Erkrankung von Muhammad Ali, dem besten Boxer aller Zeiten, durch diesen Mechanismus hervorgerufen wurde, bleibt allerdings Spekulation.

Ein Schädel-Hirn-Trauma muss unbedingt auskuriert werden

Hat ein Sportler ein SHT erlitten, gilt es dieses vollständig auszukurieren, bevor es wieder in den Ring oder auf das Feld geht. Denn die wertvolle Masse im Kopf hat auch in diesem Falle noch einen Feind, nämlich den zweiten Schlag. Das Second-Impact-Syndrom tritt immer dann auf, wenn ein noch nicht vollständig erholter Kopf ein zweites Mal Bekanntschaft mit einem Schlag macht, dieser muss dabei keine besondere Schwere aufweisen, schon leichte Zusammenstöße mit Gegnern oder Sportgeräten können ausreichen. Vermutlich ist in der Erholungsphase vom ersten Schlag die zerebrale Autoregulation damit überfordert, den zweiten kompensieren zu können. Und obwohl der zweite Zusammenstoß mitunter sehr harmlos erscheint, kann er tödliche Folgen haben. Selbst harmlose Gehirnerschütterungen sollten aus diesem Grunde komplett ausgeheilt sein, bevor der Kopf wieder hingehalten wird. Wie amerikanische Forscher im Sommer 2012 herausfanden, heißt ausheilen tatsächlich vollkommene Abgeschiedenheit von jeglicher Kopfbelastung – Lesen, Fernsehen und Computer sind in dieser Zeit tabu.

Selbst Schach kann dem Hirn schaden

Einzelfälle eines SHT sind auch für Randsportarten dokumentiert. In Australien wurde 1996 ein Fall vom Zwergenweitwurf bekannt: Das Werfen kleiner Menschen war 1985 in Queensland populär geworden. Der mit 33 Jahren verstorbene Mann war zwar an einem Bronchialleiden gestorben, litt aber laut Obduktion an einem CTE. Der kleinwüchsige Mann hatte die Jahre zuvor als Wurfobjekt beim Zwergenweitwurf gearbeitet.

Selbst für das Schachspielen ist ein SHT berichtet worden, allerdings handelt es sich hier definitiv um einen Einzelfall, der nicht zur allgemeinen Warnung vor dem Brettspiel führen sollte, bei dem das Gehirn nun wirklich dringend benötigt wird. Der Spieler war zu Boden gegangen – nach einem Sturz vom Stuhl.

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Über Manuela Käselau

Manuela Käselau ist Physiotherapeutin und Shiatsu-Praktikerin (GSD). Parallel studierte sie Phonetik, Niederdeutsche Linguistik und Systematische Musikwissenschaft an der Universität in Hamburg. Als freie Autorin schreibt sie für diverse Online- und Printmedien, hauptsächlich im medizinischen Bereich. Seit 2012 ist sie ein Mitglied der Redaktion.