Und auch Menschen, die primär an einer klinisch relevanten Depression leiden, können im trügerischen Bestreben nach hilfreicher Selbstmedikation ihrer bedrohlichen Psychose noch einen Alkoholismus aufsatteln. Diese facettenreiche Problematik liegt darin begründet, dass Alkohol (Ethylalkohol, Äthanol, Äthylalkohol, Weingeist) als psychotrope Substanz ganz massiv in die Gehirnchemie eingreift. Deshalb sollte jeder, der ganz bewusst zum Glas greift, sehr genau wissen, was der Geist des Weines mit seinem Gehirn anstellen wird.
Glück ist ein Vollbad des Gehirns im Neurotransmitter Serotonin
Der Botenstoff Serotonin spielt eine tragende Rolle bei der Entstehung klinisch relevanter Depressionen. Denn es hat sich herausgestellt, das ein auffälliger Mangel an Serotonin fast zwangsläufig ins lebensgefährliche Stimmungstief führt. Nun fügt es sich aber, dass Alkohol im Gehirn ein regelrechtes Serotonin-Feuerwerk erzwingt – im gesunden wie im erkrankten Nervengeflecht. Das unbeschwerte Glücksgefühl, welches dem endlich wieder fröhlichen Zecher dadurch am Hirnhorizont glaubhaft vorgegaukelt wird, führt dazu, dass diese biochemische Flucht aus dem tiefen Tal der Tränen immer und immer wieder angetreten wird. So wirkt Alkohol sozusagen ursächlich als Antidepressivum, das man sich selbst verschreiben kann. Allerdings treibt man auf diese Weise den Teufel mit dem Beelzebub aus. Deshalb muss von dieser Form der Selbstmedikation dringend abgeraten werden, so verführerisch sie auch scheinen mag. Wer spürt, dass sich das eigene Gemüt bedrohlich verfinstert, der sollte sein Heil nicht in der Schnapsflasche, sondern rechtzeitig beim Psychotherapeuten oder beim Psychiater suchen.
Es ist schlimm genug, an einer Depression zu leiden. Da muss man sich nicht auch noch eine Alkoholkrankheit draufpacken.
Ich trinke nicht zuviel – schließlich verschütte ich ja das meiste
Klingt erst mal lustig. Doch das Lachen vergeht schnell, wenn die Hände so stark zittern, dass sie sich nur durch ein erneutes Kampftrinken wieder beruhigen lassen. Doch woher kommt dieses Zittern eigentlich?
Alkohol wirkt direkt auf diverse Neurorezeptoren (GABA-Rezeptoren, NMDA-Rezeptoren) ein, und verändert deren normales Verhalten dramatisch. Dadurch kommt es im bewussten Befinden zu absolut unangemessenen Gefühlszuständen der Entspannung und des frei Seins von Furcht oder Angst. Währenddessen müssen sich die vergifteten Neuronen allerdings an das veränderte Milieu anpassen. Dies tun sie, indem sie eine höhere Stimulationstoleranz aufbauen. Das merkt dann der Trinker daran, dass er immer mehr Alkohol konsumieren muss, um den erleichternden Rausch herbeizuführen. Haben sich die Neuronen erst einmal auf den Dauerkonsum physiologisch eingerichtet, dann brauchen sie diese hohe Blutalkoholkonzentration auch weiterhin für ihre angepassten Funktionen. Und wenn dann die Versorgung mit Alkohol wegbricht, gibt es roten Alarm im Zentralnervensystem. Die Hände zittern. Der trocken gelegte Geist sieht Dinge, die nicht da sind (Stichworte Halluzinationen und Delirium). Es kann auch zu Angstzuständen mit Psychosequalitäten oder zu Krampfanfällen kommen. Kein Wunder, dass Betroffene jetzt ganz schnell wieder zur Flasche greifen mögen.
Alkohol ist ein hoch potentes Nervengift, das das Gehirn teilweise irreversibel verändert und zerstört. Daran sollte man immer denken, bevor man blauäugig einen über den Durst trinkt.
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