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Cybermobbing:

Wird im Internet wirklich mehr gehänselt?

Cybermobbing gilt als eine große Bedrohungen, der Jugendliche im Netz ausgeliefert sind. Doch so dramatisch ist die Situation gar nicht.

Cybermobbing: Der Anti-Mobbing-Koffer an hessischen Schulen.

Soziales Verhalten lernen: Anti-Mobbing-Initiative an hessischen Schulen. Bild: © picture alliance / dpa

Cybermobbing – oder Altdeutsch das Hänseln im Internet – gilt in der öffentlichen Wahrnehmung als eine der größten Bedrohungen für Jugendliche im weltweiten Netz. Doch wie eine aktuelle Studie der Pädagogischen Hochschule Thurgau (PHTG) sowie den Universitäten Konstanz, Zürich und Bern in der Schweiz zeigt, handelt es sich um ein überschätztes und dramatisiertes Phänomen. Wie Projektleiterin Professor Dr. Sonja Perren, Professorin für Entwicklung und Bildung in der frühen Kindheit an der Universität Konstanz und der PHTG, erklärt, geht die Vorstellung von Jugendlichen, die im Netz wild darauf los mobben weit an der Realität vorbei. Ganz im Gegenteil werde im Internet sogar drei Mal weniger gebobbt als in der realen Welt.

Ein widersprüchliches Bild

Für die Untersuchung wurden 950 Jugendliche im Alter zwischen zwölf und fünfzehn Jahren zu dem Thema „Mobbing“ befragt. Die Erfahrungen entstammen dabei sowohl aus Sicht von Tätern als auch von Opfern. Das ernüchternde Ergebnis stand dabei im krassen Gegensatz zu dem öffentlichen Bild, das vorwiegend durch Medien geprägt wird. Denn weitaus häufiger als Cybermobbing sind traditionelle Ausmaße der Gewalt, in Form von physischen, verbalen oder sozialen Übergriffen beispielsweise in Schulen. Experte Fabio Sticca sieht das Mobbing im Internet nur als Spitze des Eisberges und vermutet, dass es sich dabei ohnehin nur um eine Fortführung aus dem realen Leben, wie eben auf dem Schulhof, handele. Damit sei das Cybermobbing eher eine Ausweitung herkömmlichen Mobbings und kein eigenständiges Phänomen. Auch im Cyberspace werden überwiegend solche Jugendliche als Mobber auffällig, die auch außerhalb der virtuellen Welt zu aggressivem oder antisozialem Verhalten neigen. Wie die Studie ferner zeigte, spielen Geschlecht oder moralische Einstellung nur eine untergeordnete Rolle beim Mobbing.

Cybermobbing mit größerem Ausmaß

Die Jugendlichen wurden auch darüber befragt, wie belastend die verschiedenen Formen des Mobbings für sie ausfallen. Dabei galt das anonyme und öffentliche Mobbing im Internet als schlimmstes Horrorszenario. Das herkömmliche Mobbing wurde allerdings als fast ebenso schlimm empfunden, sofern auch dieses anonym und öffentlich erfolgt. „Cybermobbing kann schlimmer sein als gewöhnliches Mobbing, falls es anonym geschieht und viele Leute erreicht, insbesondere wenn eine Attacke außer Kontrolle gerät. Doch massive Attacken kommen fast nie vor“, erklärt Dr. Perren. Nach Ansicht der Experten gibt es keinen Anlass, die Präventionsmaßnahmen um das Thema des Cybermobbings zu erweitern. Stattdessen könne dieses mit in die Aufklärung gegen herkömmliches Mobbing fließen. Ein wichtiger Aspekt sei in jedem Falle aber Schüler, Lehrer und Eltern auf ihre Mitverantwortung aufmerksam zu machen.

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Über Stephan Lenz

Stephan Lenz studierte Philosophie, Soziologie und Anglistik an der Universität Mannheim. Es folgten schriftstellerische Fortbildungen und die freiberufliche Arbeit als Autor und Journalist. Neben unzähligen Artikeln in diversen Magazinen, veröffentlichte er Prosa im Charon Verlag, Hamburg, sowie im Wortkuss-Verlag, München. Er gehört seit vielen Jahren zum festen Stamm der Redaktion des Artikelmagazins.