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Die Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm

Zwei Jahrhunderte ist es her, da veröffentlichte ein Brüderpaar eine Reihe von Büchern, die weltweit Furore machen sollten: Die „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm zählen zu den weltweit meistgelesenen deutschen Texten.

Die Brüder Grimm bei der Märchenfrau Dorothea Viehmann gemalt von L. Katzenstein.

Gemälde von L. Katzenstein: Die Brüder Grimm zu Besuch bei der Märchenerzählerin Dorothea Viehmann.
Bild: © picture-alliance / dpa

Zwischen 1812 bis 1858 herausgegeben, wurden die Märchen der Gebrüder Grimm unzählbar oft nacherzählt, von ebenfalls unzähligen Illustratoren gezeichnet und gemalt oder von Scherenschnittkünstlern wie Lotte Reiniger (Dornröschen-Verfilmung 1922) bearbeitet.

Sie sind die Basis für unzählige Persiflagen, ja sogar für Krimis, Mangas und Comics und haben Hollywood Gewinne in aberwitzigen Höhen beschert, z.B. für Filme wie Cinderella.

„Der Wolf und die sieben jungen Geislein“, „Hänsel und Gretel“, „Der gestiefelte Kater“ – wer kennt diese Märchen nicht? Sie wurden in mehr als 170 Sprachen übersetzt. Und das, obwohl der Erstverleger über den schleppenden Verkauf verärgert war.

Wie die Brüder Grimm zu den Märchen kamen

Jacob (1785 – 1863) und Wilhelm Grimm (1786 – 1859), die beiden ältesten Kinder von Philipp Wilhelm und Dorothea Grimm, studierten ab 1802/03 Jura an der Philipps-Universität in Marburg. Dort lernten sie Professor Friedrich Carl von Savigny kennen, der sie mit den romantischen Schriftstellern Clemens Brentano und Achim von Arnim bekanntmachte.

Über sie wurde Brüderpaar mit vielen Autoren des heute so genannten Heidelberger Kreises bekannt, Romantikern, die sich die Wiederentdeckung der älteren deutschen und volkstümlichen Literatur auf die Fahnen geschrieben hatten.

Mythologie und Märchen waren in nicht nur in Heidelberg en vogue: von Arnim und Brentano arbeiteten an ihrer Volkslied- und Gedichtsammlung Des Knaben Wunderhorn, man forschte an ausländischen und antiken Mythen. Der Dichter Johann Heinrich Voß hatte erst wenige Jahre zuvor nicht nur Homers Ilias und Odyssee, sondern auch die Märchen aus 1001 Nacht ins Deutsche übersetzt.

Kurz: die Zeit war reif für eine neue Sammlung deutscher Märchen, und die Brüder Grimm griffen die Idee gern auf. Zunächst mit mäßigem Erfolg. Die oft grausamen Geschichten der Erstausgabe wurden schon von Zeitgenossen kritisiert: Da werden Hexen verbrannt, Riesen abgeschlachtet, aber auch handfeste erotische Anspielungen waren dem empfindsamen Publikum missliebig und wurden in späteren Ausgaben abgemildert oder komplett entfernt, um ‚stubenreine’ Texte zu bieten.

Doch wo fanden die Brüder eigentlich die Märchen für ihre Sammlung?

Die Viehmännin als Märchenerzählerin

Dorothea Viehmann (1755–1815), Gastwirtstochter mit hugenottischen Vorfahren, ist mit rund 40 Märchen, die auf sie zurückgehen, eine der wichtigsten Quellen der Gebrüder Grimm.

Von ihr stammen etwa Der Teufel mit den drei goldenen Haaren (KHM 29) oder Hans mein Igel (KHM 108) und Der Teufel und seine Großmutter (KHM 125). Sie hatte sicherlich als Kind im Wirtshaus ihres Vaters von Soldaten, Fuhr- und Kaufleuten zahlreiche Sagen und Märchen gehört.

Die Brüder waren von ihrer Erzählkunst und ihrem außerordentlich guten Gedächtnis restlos begeistert, wie sie in der Vorrede zum zweiten Band der Märchen schreiben: „Einer jener guten Zufälle aber war die Bekanntschaft mit einer Bäuerin aus dem nah bei Kassel gelegenen Dorfe Zwehrn, durch welche wir einen ansehnlichen Theil der hier mitgetheilten, darum ächt hessischen, Märchen, so wie mancherlei Nachträge zu ersten Band erhalten haben.

Diese Frau, noch rüstig und nicht viel über funfzig Jahr alt, heißt Viehmännin, hat ein festes und angenehmes Gesicht, blickt hell und scharf aus den Augen und ist wahrscheinlich in ihrer Jugend schön gewesen.

Sie bewahrt diese alten Sagen fest in dem Gedächtniß, welche Gabe, wie sie sagt, nicht jedem verliehen sey und mancher gar nichts behalten könne; dabei erzählt sie bedächtig, sicher und ungemein lebendig mit eigenem Wohlgefallen daran, erst ganz frei, dann, wenn man will, noch einmal langsam, so dass man ihr mit einiger Uebung nachschreiben kann. (…) Niemals ändert sie bei einer Wiederholung etwas in der Sache ab.

Ein Portrait der Viehmännin wurde übrigens 2012 in der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Kassel wiedergefunden. Die Radierung stammt anscheinend von Ludwig Emil Grimm, dem jüngeren Bruder der Märchenbrüder, und zeigt die Märchenerzählerin als alte Frau, kurz vor ihrem Tod 1815.

Mehr Geschichte(n) von und über die Gebrüder Grimm

Das Brüder-Grimm-Museum im barocken Kasseler Stadtpalais Bellevue an der Schönen Aussicht zeigt seit 2012 eine Dauerausstellung zu Leben und Werk der Brüder Grimm. Öffnungszeiten: Di–So 10–17 Uhr, Mi 10–20 Uhr (Stand 1.1.2013).

Die Kasseler Handexemplare 1812/15 der Kinder- und Hausmärchen mit handschriftlichen Eintragungen der Brüder Grimm (seit 2005 Weltdokumentenerbe der UNESCO) hat das Museum übrigens auch online zugänglich gemacht: hier kann man die Digitalisate anschauen.

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Über Mikela Steinberger

Mikela Steinberger hat Germanistik, Rhetorik und Kunstgeschichte in Tübingen studiert. Nach dem Studium hat sie ihre ersten journalistischen Erfahrungen bei bei einer regionalen Tageszeitung gesammelt. Sie ist seit vielen Jahren mit der Leitung der Redaktion betraut. Neben der Arbeit als Autorin und Journalistin, kümmert sie sich auch noch um ihren eigenen Buchverlag.