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Political Correctness:

Otfried Preußlers „Die kleine Hexe“ wird umgeschrieben

Nach über 50 Jahren soll Preußlers Klassiker „Die kleine Hexe“ umgeschrieben und von dem negativ behafteten Tabuwort „Negerlein“ befreit werden.

Klaus Willberg, Geschäftsführer der Thienemann Verlag GmbH - mit dem Kinderbuch "Die kleine Hexe"

Klaus Willberg (Thienemann Verlag GmbH) hält das Kinderbuch »Die kleine Hexe« von Otfried Preußler in den Händen. Der Begriff «Negerlein» soll in einer überarbeiteten neuen Version des Kinderbuchs ersetzt werden. Bild: © picture alliance / dpa

Im Oktober wird Otfried Preußler 90 Jahre alt und für seinen runden Geburtstag hat man sich scheinbar etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Sein Klassiker „Die kleine Hexe“ soll in einer Jubiläumsausgabe erscheinen, aber aus Gründen der politischen Korrektheit auch umgeschrieben werden. Der Thienemann Verlag will das Wort „Neger“ aus Preußlers Klassiker verbannen. Wie der Kinderbuchautor Wieland Freund findet, sei dies längst überfällig. Doch es gibt auch Kritiker, die darin einen Eingriff in die Kunst sehen.

Der Gegenstand des Verbrechens

1957 ist „Die kleine Hexe“ des Autors Otfried Preußler erschienen und seither auch unzählige Male den Kindern vorgelesen worden. Nur eine Stelle des Buches sorgt bereits seit Jahren bei einigen Vorlesern für Kopfzerbrechen: „Aber die beiden Negerlein waren nicht vom Zirkus…“ heißt es da. Und genau dieses Negerlein soll bei der neuen Ausgabe des Buches nun gestrichen werden. Zu Recht werden einige kopfnickend zustimmen, doch graust es viele Kritiker des Vorhabens, die darin einen Eingriff in die Kunst sehen, den man mit einem ähnlich bösen Wort, nämlich „Zensur“, beschreiben könnte. Im Grunde sieht man sich nun in einer Zwickmühle und muss entscheiden was höher zu bewerten ist: die Kunst oder die Political Correctness.

Zu seiner Zeit nichts Besonderes

„Die kleine Hexe“ erschien zum ersten Mal Ende der 1950er Jahre und enthielt eine verniedlichende Variante des Wortes „Neger“, was zur damaligen Zeit gebräuchlich und keineswegs negativ konnotiert war. Vielmehr wandelte sich der Begriff mit der Zeit, erhielt eine wertende Bedeutung und wurde mit rassistischen Eigenschaften beladen. Entsprechend empfahl man im Duden seit Mitte der 1970er Jahre den Begriff zu vermeiden. So wurde dieser auch nach und nach aus dem alltäglichen Sprachgebrauch verbannt und Mitte der 1990er Jahre verschwanden auch endlich die „Negerküsse“ aus den Regalen und wurden durch „Schaumküsse“ oder „Schokoküsse“ ersetzt.  Für zeitgenössische Produkte sicher vernünftig, aber darf man so einen Begriff auch einfach aus seinem kulturellen Kontext reißen? In den USA versuchte ein Literaturwissenschaftler ein ähnliches Unterfangen für Mark Twains „Huckleberry Finn“ zu erwirken und scheiterte. Und dort handelt sich nicht nur um den einmaligen Gebrauch des Wortes als Verniedlichung, sondern im Gegenteil um eine beleidigende Variante des Ausdrucks. Doch hierzulande wird die Empörung der Kritiker auf Kurz oder Lang wohl verstummen und der Verlag einfach die Änderung vornehmen. Und ob dies tatsächlich ein Beitrag für eine bessere Welt darstellt oder vielleicht doch einen „unerlaubten“ Eingriff in die Kunst, wird wohl jeder für sich selbst entscheiden müssen. Was in jedem Falle aber einen Eingriff darstellt, ist die nachträgliche Kolorierung des Buches. Das dürfte den Kritikern ebenso sauer aufstoßen, doch spielt sich diese Änderung aufgrund der begrifflichen Zankereien nur im Hintergrund ab.

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Über Stephan Lenz

Stephan Lenz studierte Philosophie, Soziologie und Anglistik an der Universität Mannheim. Es folgten schriftstellerische Fortbildungen und die freiberufliche Arbeit als Autor und Journalist. Neben unzähligen Artikeln in diversen Magazinen, veröffentlichte er Prosa im Charon Verlag, Hamburg, sowie im Wortkuss-Verlag, München. Er gehört seit vielen Jahren zum festen Stamm der Redaktion des Artikelmagazins.