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Fernöstliche Kampfkunst:

Die Shaolin – Zwischen Glaube und Kampf

Shaolin Tempel in der Provinz Henan, ChinaDenkt man an Shaolin Mönche, so kommen einem womöglich zunächst die beeindruckenden Shows kahlköpfiger Chinesen in den Sinn, die hoch konzentriert und in orange Gewandungen gehüllt mit Schwertern bewaffnet über die Bühne wirbeln oder sich zentnerschwere Gesteinsbrocken auf ihren gestählten Bauchmuskeln zertrümmern lassen. Doch derartige Darbietungen haben nur am Rande mit der Philosophie und Kultur der Shaolin Mönche zu tun. Vielmehr steht der ursprüngliche Shaolin Tempel in einem maßgebenden Licht, das nicht nur einen Glauben erstrahlen ließ, sondern sich in seiner Philosophie der Perfektionierung von Körper und Geist verschrieben hatte. Entsprechend berühmt ist auch das Werkzeug dafür geworden, das Shaolin Kung Fu, welches für den Beinamen als „Kampfmönche“ sorgte. Doch der Shaolin Tempel hat noch einiges mehr an Kultur hervorgebracht, die heute weltweit geachtet und geschätzt wird.

Die Ursprünge des Shaolin Klosters

Ursprünglich bezeichnet der Name Shaolin eigentlich nur den Namen des Klosters, in dem die weltweit so berühmt gewordene Lehre entstand. Ins Deutsche übersetzt bedeutet Shaolin so viel wie „Tempel am Wald des Berges Shaoshi“ und bezeichnet lediglich die grobe, geographische Lage des Klosters. Bereits im Jahre 495 nach Christus finanzierte der Kaiser der Wei-Dynastie den aus Indien stammenden Mönchen Batuo, damit dieser im Songshan Gebirge ein Kloster errichten konnte. Die Geburtsstunde des Shaolin Klosters war damit eingeleitet. Unter den Fittichen Batuos entwickelte sich der zunächst unscheinbare Tempel schnell zum Zentrum des buddhistischen Glaubens, wo eine eigene Übersetzungshalle für indische Lehrschriften errichtet wurde und für enormen Zuspruch und Ruhm sorgen konnte.

Die Waffen der ShaolinGlaubt man den überlieferten Legenden, so soll sich im Jahre 527 der indische Mönch Bodhidharma im Shaolin Kloster niedergelassen haben, um dort den durch ihn begründeten Chan-Buddhismus, also die Ursprungsform des Zen-Buddhismus, zu lehren. Zudem unterrichtete der große Bodhidharma die Mönche des Klosters in einer speziellen Kampfkunst, die dann stetig weiterentwickelt wurde und als Shaolin Kung Fu bekannt werden sollte. Durch die Verbindung aus Körper und Seele beziehungsweise Kampf und Glaube, gewannen die Shaolin in den folgenden Jahren  zunehmend Anerkennung und wurden von der regierenden Tang-Dynastie auch aktiv unterstützt. Einer historisch gesicherten Überlieferung zu Folge, schickten die Shaolin Mönche im Jahre 621 dreizehn Kämpfer zur Unterstützung der Tang-Dynastie im Kampf gegen ihre Feinde. Die Kampfmönche konnten durch ihre Stärke und Loyalität in solch einem Maße beeindrucken, dass dem Kloster staatliche Privilegien eingeräumt wurden. Zu einem der wichtigsten zählte dabei die Erlaubnis, Mönche zu Kriegern ausbilden zu dürfen.

Das Shaolin Kloster konnte seine Stellung weiter sichern und wurde auch durch nachfolgende Dynastien unterstützt und gefördert. Zwischen den Jahren 1348 und 1644 entstand eine Armee aus rund 2.500 Kampfmönchen, die auch immer wieder gefordert waren, ihren Glauben und ihre Kultur zu verteidigen. Denn neben dem Gros an Zuspruch, waren die Shaolin auch oftmals Missgunst und Angriffen ausgesetzt. So wurde das Kloster in seiner Geschichte häufig belagert, zerstört und wieder aufgebaut. Doch auch wenn die Grundmauern des Klosters häufig eingerissen wurden, ließ sich der Glaube der Zen-Buddhisten nicht erschüttern. Ganz im Gegenteil verbreitete sich die Lehre der Shaolin über das ganze Land, brachte weitere Tempel hervor, die den Namen Shaolin übernahmen und ist bis heute weit über die Grenzen Chinas verstreut. Neben dem Glauben sind es vor allem auch die Lehren des Tai Chi und Qigong, die Einlass in die westlichen Gefilde fanden und noch immer geschätzt und praktiziert werden. Doch zu wahrlich unsterblichem Ruhm gelangte das Shaolin Kung Fu, das sich selbst in Film und Fernsehen größter Beliebtheit erfreute.

Shaolin Kung Fu

Shaolin Mönche beim täglichen Kung Fu Schwertkampf-TrainingMittlerweile werden verschiedene Kampfstile als Shaolin Kung Fu bezeichnet, die in irgendeiner Form an den vielen Tempeln der chinesischen Mönche gelehrt und praktiziert werden. Im ureigenen Sinne bezeichnet das Shaolin Kung Fu allerdings ausschließlich die Kampfkünste, wie sie im Gründungs- Kloster gelehrt wurden. Das Problem hierbei ist, dass keine gesicherten, historischen Überlieferungen vorhanden sind und die tatsächliche Entstehung der Kampfkunst auf Mythen und Legenden beruht. Entsprechend soll der Bodhidharma während seiner Lehre im Shaolin Kloster festgestellt haben, dass die Mönche nicht über ausreichend Ausdauer und Körperbeherrschung verfügten, um den Meditationsanforderungen des Chan-Buddhismus gerecht zu werden. Der Bodhidharma entwickelte daraufhin einige Übungen, welche Bewegungen verschiedener Tiere nachempfunden waren und tänzerische Elemente enthielten. Diese Übungen führten zu raschen Erfolgen und machten die Mönche auch in der Selbstverteidigung gegen Diebe erfolgreicher. Daraufhin feilte man an den Techniken und erweiterte diese zu einer eigenen Kampfform, die schließlich im traditionellen Kung Fu endete. Bis heute hat die Kampfkunst beinahe unerschöpfliche Stile und Variationen erfahren, doch was grundsätzlich immer gleich geblieben war, ist die Imitation von Tieren in den Bewegungsabläufen. An Grundlagen zählen dabei die Drachen-Technik zur mentalen Entwicklung, die Schlangen-Technik zur Dehnung, die Tiger-Technik zur Stärkung der Muskeln und Knochen, die Leoparden-Technik für Schnelligkeit, Ausdauer und Koordination und zu guter Letzt die Kranich-Technik für eine allgemeine Kräftigung und Steigerung der Vitalität.

Traditionelle Shaolin-Mönche betrachten das Kung Fu jedoch nicht primär als Verteidigungstechnik, sondern eben als Kampfkunst, mit der Betonung auf Kunst, als Weg zur perfekten Beherrschung des Körpers und des Geistes. Dementsprechend ist Shaolin Kung Fu Bewegungsmeditation mit integrierten Kampftechniken, die auf schwere Verletzungen oder die Tötung des Gegners zielen, um das eigene Leben effizient zu schützen. Diese Voraussetzungen schließen die Kampfkunst als Sportart aus und zeigen unmissverständlich, warum traditionelles Shaolin Kung Fu nicht in Schulen mit Prüfungen und Gradsystem gelehrt wird. Das Shaolin Kung Fu ist kein Kampfsport, sondern Lebenseinstellung und untrennbarer Teil des Glaubens. Doch ob man die Kampfkünste nun aus traditioneller oder moderner Sicht betrachten möchte, bieten sie ein schier unerschöpfliches Feld an Philosophie und Faszination, wobei selbst die ästhetisch aufgepeppten Bühnenshows, ganz unabhängig vom Glauben, Jung und Alt zu begeistern wissen.

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