Startseite / Kultur / Geschichte / Revolutionen rund um den Gerstensaft: Die Münchner Bierrevolution

Revolutionen rund um den Gerstensaft: Die Münchner Bierrevolution

Landesflagge: Freistaat BayernBier ist seit Urzeiten nicht nur Getränk, sondern auch Nahrungsmittel. Ob Mönche während der Fastenzeit die Nahrung durch fünf bis zehn Liter gehopften Gerstensaft pro Tag ersetzten oder die Arbeiter zum Lohn zusätzlich Bier erhielten – Wasser war (wohl auch wegen seiner schlechten Qualität) als Getränk verpönt, Wein zu teuer oder zu sauer. Das tägliche Bier gehörte zum Alltag wie das tägliche Brot.

Im Dreißigjährigen Krieg z. B. sollten die Soldaten pro Tag eine Verpflegung aus einem Kilo Brot, einem Pfund Fleisch und drei Litern Bier erhalten, Gefreite sollten sogar fünf Liter Bier pro Tag bekommen, wie etwa der Rat der Stadt Wismar am 11. April 1628 anordnete. Unter Napoleon I. erhielten die Soldaten dann nur noch einen Liter Bier, mit dem sie drei Tage auskommen mussten.

Bei dieser hohen Bedeutung, die das Bier für die Bevölkerung hatte, war es kein Wunder, dass der Preis dieses Grundnahrungsmittels immer argwöhnisch beäugt wurde und eine Preissteigerung erheblichen Widerstand auf den Plan rief. So geschehen bei der Münchner Bier-Revolution des Jahres 1844

1844 Münchner Bierrevolution

Eine Frau im Dirndl mit einer Maß BierRohstoffverteuerungen waren die Ursache für eine vier Tage währende Revolution der Massen in München. Wie ein Zeitgenosse berichtet: „Das Maaß Bier, das bereits seit einiger Zeit den staatsgefährlichen Preis von 6 Kreuzern erreicht hatte, schlug plötzlich noch um einen Kreuzer auf.“

Die Leipziger Allgemeine Zeitung berichtete 1844 über die Bierrevolution in München, nachdem der neue Preis bekannt geworden sei, hätte sie die erste Bestürzung rasch in Unmut und Versammlungen verwandelt:

„Maueranschläge bedrohten die öffentlichen Kunstwerke mit Zerstörung, in den Bierhäuern wurden die Aeußerungen immer bedenklicher. Endlich war man inne geworden, von wem der Antrag auf Erhöhung ausgegangen; es war einer der hiesigen Brauer, und ihm ward zuerst ein Galgen mit Blut an die Hausthüre gemalt und sonst manches Unwillkommene gesagt.

Die Missstimmung war so allgemein und so nahe daran in Wuth und Zorn überzugehen, daß Rückkehr zum alten Biersatze das Räthlichste wurde. Diesen Weg schlug man ein und die Revolution war beendet.“

König Ludwig I. widerrief schleunigst die Bierpreiserhöhung, weil sich sogar die zu Hilfe gerufenen Soldaten weigerten, gegen die Bier-Revoluzzer vorzugehen.

„Das Maß ist voll, aber zu teuer“ – der Sturm im Wasserglas

Die satirische Wochenzeitschrift Kladderadatsch spottete noch in ihrer Ausgabe vom 30. Dezember 1860 über die Bierrevolution. In den „Telegraphischen Depeschen aus München“ stellt sie die Bier-Revolution als einen Sturm im Wasserglas dar:

Bier ist in Bayern ein NahrungsmittelSonnabend, den 29. December, früh. Die Posten, welche zum Schutz gegen die gefürchtete Bier-Revolution aufgestellt sind, halten den Hofbräu, Spathenbräu und Augustinerbräu besetzt und zeigen eine straffe Haltung. Die Bevölkerung scheint ruhig und ernüchtert.

Den 29. Debr., Mittags. Die Posten zeigen leider eine schwankende Haltung und scheinen mit dem Volke wegen der hohen Bierpreise zu sympathisiren.

Den 29. Debr., Abends 11 Uhr. Mehrere Posten haben sich bereits übergeben. Das Maß ist voll, aber zu theuer. – Beim Hofbräu sind die Meißten gefallen. – Alles im Sturm. Wenn nicht bald Hilfe von außerhalb kommt, dann steht es mit unsern Bürgern schief.

Nachts 12 Uhr. Die Zahl der Gefallenen ist kaum zu zählen; glücklicher Weise aber sind keine Verwundungen dabei vorgekommen. Die Stadt ist wieder ruhig.“

1995 Münchner Biergartenrevolution

In Anlehnung an die Münchner Bierrevolution nannten die Medien eine von Brauern und Politikern organisierte Demonstration zum Erhalt der Biergärten „Biergartenrevolution“. Am 12. Mai 1995 ging rund eine Viertelmillion Münchner auf die Straße, um gegen eine gerichtlich festgelegte frühe Sperrstunde (21.30 Uhr) für die „Waldwirtschaft“ in Großhesselohe bei München, liebevoll Wawi genannt, zu demonstrieren.

Zum Leidwesen lärmgeplagter Anwohner hatten die Demonstranten Erfolg: In der Bayerischen Biergartenverordnung vom April 1999 ist allgemein eine Biergarten-Sperrstunde für 23 Uhr festgelegt. Und verschiedene Interessengruppen arbeiten daran, die (teilweise mit Sondergenehmigung sowieso schon längere) Sperrstunde noch weiter in die Morgenstunden zu verschieben.

© Pixel Trader Ltd. 2013 Alle Rechte vorbehalten

Über Redaktion

Beiträge und Artikel die mit der Bezeichnung "Redaktion" gekennzeichnet sind, werden in aller Regel durch die Mitglieder der Redaktion veröffentlicht. Das sind unter anderem: Mikela Steinberger, Michael Wolfskeil, Stephan Lenz, Angelika Lensen, Frank M. Wagner und Manuela Käselau. Auch Artikel von Autoren deren Name nicht genannt werden soll, werden unter diesem Label publiziert. Darunter sind einige erfolgreiche Buchautoren.