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Ein Hauch von Japan:

Haiku – traditionelle japanische Gedichtform

Ein Haijin verfasst ein GedichtOhne Zweifel würden sich deutlich mehr Menschen für Gedichte erwärmen können, wenn diese verbale Kunstform nicht in dem negativen Ruf der psychisch ermüdenden Langatmigkeit stünde. Darum ist das Haiku für alle, die Poesie kurz und knackig mögen, eine kultivierte Offenbarung aus dem Land der aufgehenden Sonne. Noch dazu macht Haiku schreiben Groß und Klein so viel Spaß, dass die kreative Eigenproduktion dieser Mini-Lyrik schon längst sowohl einen hohen Kultstatus als auch einen starken Suchtfaktor besitzt. Wer sich also der weltumspannenden Fangemeinde der Haijin, also jener Menschen, die Haiku verfassen, fröhlich anschließen möchte, der sollte sich jetzt mit ein paar einführenden Informationen fernöstlich einstimmen lassen.

Was macht Haiku so besonders?

Auf diese grundlegende Frage gibt Margret Buerschaper, die sowohl ihre Magisterarbeit als auch viele Jahre ihres enorm produktiven Lebens dem Haiku gewidmet hat, recht prägnante Antworten, die hier für eine erste Orientierung stark verkürzt wiedergegeben werden sollen:

  • Das Haiku ist die kürzeste literarisch anerkannte Gedichtform der Welt.
  • Es gibt kaum eine Sprache oder ein Land, in dem keine Haiku geschrieben und gelesen werden.
  • Haiku erregen das Interesse wirklich aller Menschen ab vier Jahren.
  • Das Haiku ist die einzige Gedichtform, die weltweit durch zahlreiche Gesellschaften hingebungsvoll gepflegt wird.
  • Es ist mit Abstand die im Internet mit zahllosen Beiträgen aus aller Welt populärste Lyrikform.
  • Es füllt jährlich tausende Bücher, Schriften und Onlineportale mit frischen Gedanken und
  • es stiftet ständig zu ungezählten Wettbewerben und künstlerischen Aktionen an.

Die ganze Welt in 17 Silben

Für ein deutsches Haiku nach japanischem Vorbild gilt grundsätzlich die Form von drei Zeilen mit maximal je 5-7-5 Silben. Das Haiku beschreibt ein Naturerlebnis in einer der fünf traditionellen Jahreszeiten (Frühling, Sommer, Herbst, Winter, Jahreswechsel). Dabei geht das Haiku aber über eine reine Bildbeschreibung hinaus und lässt eine spürbare Bewegung deutlich werden. Technisch wird diese lebendige Wirkung häufig durch den Gebrauch von Verben in der Gegenwartsform sowie durch die Gestaltung von zwei Polen erreicht, die in einer gewissen Spannung zueinander stehen (z.B. Eis – Wasser). Das Haiku verlangt von seinem Schöpfer eine hohe sprachliche Haiku - Gedichte in KurzformDisziplin und ein flexibles Rhythmusgefühl. Denn: Reime, Worttrennungen über das Zeilenende hin, Fremdwörter und Wortwiederholungen sind strikt zu vermeiden. Außerdem muss der Haijin sich selbst beim Dichten ganz außen vor lassen. Seine lyrische Momentaufnahme soll nämlich nur dem Geschehen gelten und keine Meinungsäußerung oder philosophische Schlussfolgerung sein. Nur so bekommt das Haiku jene Klarheit und interpretatorische Offenheit, die es späteren Lesern oder Hörern des Mikro-Gedichtes erlaubt, das verbal hingetuschte Erlebnis nachzuvollziehen und mit eigenem Gefühlsleben zu erfüllen.

Wer das Thema qualifiziert vertiefen möchte, ist natürlich auf der Homepage der Deutschen Haiku-Gesellschaft e. V. stets herzlich willkommen.

Das Haiku nach Fukushima

Selbstverständlich haben sich die dramatischen Ereignisse in Fukushima auch auf das Fühlen und Denken der Haijin ausgewirkt. Dazu seien an dieser Stelle vier Beispiele aufgezeigt:

Fernes Beben
die Teetasse zittert
in meiner Hand
(Hannah Wilhelm)
nach dem Sturm
die Balken anfassen
im Elternhaus
(Helga Stania)
Atomkraftwerk
nach dem Unglück
die Stromrechnung suchen
(Winfried Benkel)
Verbotene Zone
ein Sonnenstrahl
durchbricht die Absperrung
(Hannah Wilhelm)

 

Wie werde auch ich ein Haijin?

Alles, was man für das neue Lyrik-Hobby braucht, ist ein wacher Geist, eine scharfe Beobachtungsgabe und ein hübsches Notizbüchlein nebst zuverlässigem Schreibgerät, was man stets mit sich führt. Denn nur dann kann man jene spontanen Haiku-Momente, die später ein Mikrogedicht werden sollen, immer in Echtzeit festhalten. So bleiben die Eindrücke frisch und nichts geht verloren. Doch Vorsicht: Ist man erst einmal vom Haiku-Virus infiziert, dann ist das in aller Regel eine lyrische Leidenschaft fürs Leben.

Weiterführende Links zum Thema „Haiku“:

Homepage Deutsche Haiku-Gesellschaft e. V.
http://deutschehaikugesellschaft.de

Haiku Heute
http://www.haiku-heute.de/index.html

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