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Chronos gegen Kairos:

Alles eine Frage der Zeit?!

Wer schneller lebt, ist eher fertig! Was einigen Leuten erstrebenswert erscheint, lässt andere sofort zusammenzucken. Über den Umgang mit der Zeit.

Ein Mann hält eine Stoppuhr in seiner Hand.

Zeitmanagement: Unser Leben befindet sich ständig im Wettlauf mit der Zeit. Bild: © fotolia.de

„Ich habe keine Zeit.“ In manchen Kreisen gehört das fast schon zum guten Ton. Denn wer keine Zeit hat, ist meist ungemein wichtig und muss seine Großartigkeit mit vielen Menschen und Projekten teilen – da ist so ein Tag schnell mal rum. Es gibt aber auch Menschen, die das „keine-Zeit-Haben“ eher für unüberlegte Prioritätensetzung halten.

Die alten Griechen kannten zwei Zeiten

Jeder hat es schon mal erfahren: Die Zeit ist unterschiedlich lang. Die Stunde bis zur schwierigen Prüfung vergeht einfach nicht, während die gleichen sechzig Minuten bei der Lieblingsbeschäftigung regelmäßig verfliegen. Den alten Griechen war dieses Phänomen ein eigenes Wort wert – Kairos. Es ist die innere Zeit, sie läuft ungleichmäßig ab, ist fühlbar als der „richtige Moment“. Die Griechen fanden es erstrebenswert, diesen Augenblick zu nutzen, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen.

Der Gegenspieler ist Chronos, die gleichmäßig ablaufende Zeit – das, was wir bis heute auf unseren Uhren beobachten, wenn der Sekundenzeiger seine Runden über das Ziffernblatt zieht. Diese äußere Zeit ist genormt und sehr praktisch, wenn sich mehrere Menschen zum gleichen Zeitpunkt treffen wollen.

Zeit ist eine Frage des Rhythmus

Die genormte Zeit, Chronos, läuft einfach so ab. Ganz egal, ob man etwas dafür tut oder nicht – die Uhr frisst Sekunden, Minuten und Stunden einfach weg. Da kann man schon mal auf einen Gedanken kommen, den viele Menschen heutzutage hegen: Man muss seine Zeit nutzen! Das geschieht, ihrer Überzeugung nach, in dem man so viele Aktivitäten wie möglich in die vorhandene Zeit packt; seinen Tag optimiert, um möglichst der Gewinner im Kampf ums Vergängliche zu sein. Solchen Menschen ist meist auch Zeitmanagement nicht fremd – der Versuch, jede Lücke im Tagesverlauf zu füllen, mit all den Dingen, die produktiv und sinnvoll erscheinen. Selbst Pausen haben da einen Zweck – sich erholen, um das nächste Ziel angehen zu können. Dass man sich bei dieser Zeitauffassung schnell fremdbestimmt fühlt und irgendwann das berühmte Hamsterrad empfindet, verwundert nicht.

Anhänger des Kairos machen sich ganz andere Gedanken: Was will ich mit meiner Eigenzeit anfangen? Ihnen sind Momente wichtig, in denen sie nachspüren können, was Körper, Geist und Seele eigentlich gerade brauchen. Sie wollen den eigenen Rhythmus zwischen Pause und Aktivität finden und diesen genießen, fernab von Zeitplänen und äußerem Druck.

Die Zeit ist nicht das Problem

Der Zeit an sich kann man eigentlich gar keinen Vorwurf machen, sie ist einfach nur da. Was jeder mit ihr anfängt, das steht auf einem anderen Blatt. Die alten Griechen waren übrigens nicht der Meinung, dass die Frage lautet: Chronos oder Kairos? Es sind einfach zwei Seiten einer Medaille. Und diese ist, wie immer, nur dann vollständig, wenn es beide Seiten gibt. Das bedeutet: Strukturierte und von außen vorgegebene Zeit gehört zum Leben dazu und eben auch die freie Zeit – Momente, in denen man von äußeren Einflüssen befreit ist und Zeit einfach verlieren kann. Heutzutage ist Kairos allerdings eher in Vergessenheit geraten.

Die eigene Zeit finden

Ein unabdingbarer Faktor auf dem Weg zur eigenen Zeit ist Mut. Den braucht es, um vermeintlichen Verlockungen widerstehen zu können, gegen den Strom zu schwimmen und eigene Wünsche umzusetzen – bei gleichzeitigem Respekt vor den Wünschen anderer Menschen. In Europa finden Menschen das Gefühl der Eigenzeit vermehrt in der Meditation – in einer Umgebung, in der es nichts weiter zu tun gibt, als den Moment wahrzunehmen. Das wäre den alten Griechen vermutlich merkwürdig vorgekommen, aber im Grunde ist es egal, wie man die eigene Zeit findet.

Wer jetzt glaubt, dass regelmäßiges Meditieren die Lösung ist und schon mal hektisch nach einem Platz dafür im Terminkalender sucht, dem sei gesagt, dass es so nicht funktioniert. Vielmehr braucht es das beharrliche Üben der freien Zeit – im Alltag. Wer das mit Mut und Lust angeht, wird irgendwann eine Veränderung bemerken – hin zur Übernahme der Verantwortung für die eigene Zeit und das eigene Leben, weg vom Beschuldigen der äußeren Umstände. Das heißt nicht, dass man in Zukunft alles anders machen muss, meist ändert sich nur das Wie im Machen. Sätze wie „Ich habe keine Zeit“ verschwinden dann automatisch aus Sprachgebrauch und Leben.

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Über Manuela Käselau

Manuela Käselau ist Physiotherapeutin und Shiatsu-Praktikerin (GSD). Parallel studierte sie Phonetik, Niederdeutsche Linguistik und Systematische Musikwissenschaft an der Universität in Hamburg. Als freie Autorin schreibt sie für diverse Online- und Printmedien, hauptsächlich im medizinischen Bereich. Seit 2012 ist sie ein Mitglied der Redaktion.