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Lebenseinstellung:

Die Lust am Scheitern – Was das Leben bereichert

Scheitern will heutzutage niemand mehr. Dabei wäre es wichtig, weil es die eigenen Grenzen verdeutlicht – und erweitert.

Junge Frau fährt freihändisch und glücklich auf dem Fahrrad am Strand entlang.

Fahrradfahren lernt man durch Hinfallen, wer das versteht, kommt mit Niederlagen besser zurecht. Bild: © fotolia.de

Es scheint so eine Art Konsens zu sein: Alle Menschen müssen immer glücklich sein, sonst lohnt das Leben nicht. Eine durchaus charmante Vorstellung, nur – woher soll das Glück kommen? Und – ist es tatsächlich so, dass nur das Glück glücklich macht? Wie ist es mit den Früchten von Anstrengung? Mit der Gewissheit, das Leben wuppen zu können, egal, was passiert? Mit dem Stolz, auf ein Leben zu schauen, das ungünstig startete, aber trotzdem einen guten Verlauf nahm? Das Leben wird durch deutlich mehr als Glück bereichert, allerdings ist das Scheitern auf dem Weg dahin ständiger Begleiter.

Den Gelegenheiten nicht aus dem Weg gehen

Menschen sind unterschiedlich und das ist auch gut so. Diejenigen, die ihren selbst gesteckten Rahmen nicht verlassen und sich ausschließlich innerhalb der eigenen Komfortzone bewegen, werden ein Höchstmaß an Sicherheit verspüren und das allein kann glücklich machen. Oft leider aber nicht auf Dauer. Auf der einen Seite geht nach einer Zeit der Gewöhnung oft die Wertschätzung verloren, auf der anderen Seite beginnt vor lauter Langeweile das Genörgel an den Umständen. Umstände haben heutzutage keinen guten Leumund. Alle Welt ist Schuld am eigenen Elend – Nachbarn, Kinder, Kollegen, Wetter, Politik – eine endlose Reihung.

Menschen, die über ihren eigenen Tellerrand hinaus schauen und dort immer wieder Erfahrungen sammeln, leben auch mit Nachbarn, Kindern, Kollegen, Wetter und Politik, vielleicht sogar die gleichen. Aber ihnen scheint es weniger auszumachen, wie die anderen sind und was sie machen. Sie legen ihren Fokus eher auf die Aspekte, die sie beeinflussen können und auf eigene Erfahrungen – das Scheitern dabei nehmen sie gerne in Kauf. Das heißt nicht, dass sie sich halsbrecherisch von Klippen stürzen oder in eine Bank einbrechen, nur um mal zu sehen, ob sie es können. Es geht eher um die kleinen Grenzerweiterungen: Tanzen gehen, auch wenn es wie ein Fahrradunfall aussieht; Töpfern lernen, auch wenn alle damit Gewaltfreiheit und Toskana verbinden; sich im Rhönradturnen versuchen, auch wenn es alle belächeln. Das Scheitern ist hierbei eingebaut – alle krümmen sich vor Lachen wegen des Tanzstils, der Töpfer schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, als er die selbst gebastelten Kunstwerke sieht und die Rhönradkollegen raten intensiv zu einer anderen Sportart. Aber was macht das schon? Es bleiben Erkenntnisse übrig, die potentiell Chancen sein können: Sich zu Musik zu bewegen macht Spaß; Handwerk befriedigt; vielleicht wäre Akrobatik was für mich?

Zur rechten Zeit am rechten Ort sein

Glückspilzen wird immer nachgesagt, dass sie einfach Glück haben – immer zur rechten Zeit am rechten Ort sind. Faktisch ist es aber so, dass wir alle fast immer zur rechten Zeit am rechten Ort sind, es nur nicht erkennen und es entsprechend auch nicht nutzen. Wer mit Scheuklappen durchs Leben geht und gedanklich nur um die bösen Umstände kreist, hat keine Kapazitäten mehr frei, die Chancen auf dem Weg zu erkennen. Das ist menschlich.

Ein Weg, den rechten Ort als solchen zu erkennen, ist das Wahrnehmen der Umwelt. Und zwar mit dem, was sie bietet und nicht mit dem, was man vermutet. Das ist das Prinzip von Meditation, Achtsamkeit genannt, wenn es ohne religiösen Hintergrund stattfindet. Das geht aber auch im Alltag ganz einfach. Schauen Sie sich mal genau um: Zählen Sie die Häuser mit einer geraden Anzahl von Fenstern auf der Frontseite; Halten Sie überall nach der Farbe Rot Ausschau; Versuchen Sie in einem fremden Ort, einen ganzen Tag lang touristische Ziele anzusteuern, ohne dafür Geld auszugeben; Lassen Sie einen Tag lang jedem den Vortritt, den Sie treffen…Es gibt unzählige solcher Möglichkeiten, den Blick auf die eigene Umgebung zu ändern. Sie werden erstaunt sein, was es alles zu erleben gibt und vor allem, wie nett die Menschen auch sind, die Sie umgeben.

Und selbst, wenn Sie keine guten Erfahrungen machen, Sie hatten auf jeden Fall keine Zeit, sich um die Umstände zu kümmern, sondern haben sich mit dem eigenen Innenleben beschäftigt. Das ist reichhaltiger als man denkt, auch da liegen eine Menge Chancen für ein zufriedenes Leben. Und wer das schafft, bei dem schleicht sich auch das Glück ein – meist ganz still und leise.

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Über Manuela Käselau

Manuela Käselau ist Physiotherapeutin und Shiatsu-Praktikerin (GSD). Parallel studierte sie Phonetik, Niederdeutsche Linguistik und Systematische Musikwissenschaft an der Universität in Hamburg. Als freie Autorin schreibt sie für diverse Online- und Printmedien, hauptsächlich im medizinischen Bereich. Seit 2012 ist sie ein Mitglied der Redaktion.