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Kulinarische Geschichte:

Die Entwicklung der russischen Küche über die Jahrhunderte

Die russische Küche hat sich über Jahrhunderte entwickelt, wenn gleich einige Speisen heute noch aktuell sind. Ein Rückblick in die kulinarische Vergangenheit.

Kalter Borschtsch ist besonders an warmen Tagen beliebtWodka und Krimsekt kennt wohl jeder, doch ist das bei weitem nicht alles, was das kulinarische Russland zu bieten hat. Ganz im Gegenteil kann die russische Küche gar mit deutlich mehr auftrumpfen als mit dem vielerorts beliebten Kaviar oder Borschtsch. Doch innerhalb der ganzen Trends und Modeerscheinungen geht die östliche Esskultur manchmal ganz schön unter. Grund genug, diese ein wenig näher zu beleuchten.

Von den Kiewer Rus

Das Kiewer Russland war ein mittelalterliches Großreich mit seinem Zentrum in Kiew und gilt als Vorläufer des heutigen Russland, Weißrussland und der Ukraine. Die Zeit der Kiewer Rus erstreckte sich dabei etwa von dem Jahr 862 bis 1240. Damals galten vor allem dunkles Brot und Grütze als Grundnahrungsmittel der Russen. Oftmals wurde ein Brei aus verschiedenen Körnern wie Roggen oder Weizen gekocht und mit Gemüse sowie Fleisch garniert. Beliebt waren dafür vor allem Schafs-, Rinder- und Schweinefleisch. Wild als Beute der Jagd spielte zur damaligen Zeit eine eher untergeordnete Rolle, weil die orthodoxe Kirche den Verzehr von zum Beispiel Bären-, Biber- oder Hasenfleisch verbot. Als Gemüse bevorzugte man alle möglichen Rüben- und Kohlarten, sowie Knoblauch und Zwiebeln. Auch an Würze fehlte es nicht in jener Zeit und man nutzte gerne Pfeffer, Salz, Essig und Minze, ferner auch Anis oder Honig. Das erste typisch russische Getränk war das Kwas, ein kohlensäurehaltiges Erfrischungsgetränk aus Wasser, Roggen und Malz. Das Kwas ist ein leicht alkoholischer Brottrunk, der in etwa mit einem Malzbier vergleichbar, aber nicht ganz so süß ist. Auch aus Früchten ließ sich ein hervorragender Kwas herstellen. Wein wurde zwar damals schon importiert, doch konnten sich diesen überwiegend nur die Reichen des Landes erlauben. In der Zeit des Kiewer Rus entwickelte sich bereits eine Vorliebe für Sauerkraut und eingelegtes Gemüse, die sich bis heute in Russland halten konnte.

Mongolen übernahmen die Essgewohnheiten größtenteils

Mit den Mongolen kam auch das Gemüse in die russische KücheWährend der Mongolenherrschaft zwischen den Jahren 1241 und 1547 änderte sich nicht viel an den kulinarischen Gepflogenheiten der Russen. Das Brot und die Grütze blieben weiterhin das wichtigste Grundnahrungsmittel der breiten Masse. Allerdings wurde die Küche zur Zeit der Mongolen weiter verfeinert und Gemüse wie Spargel, Erbsen und Linsen fanden Einzug in die Kochtöpfe. Ebenso wurde die Auswahl an Obstsorten merklich erweitert und Äpfel, Pflaumen oder auch Kirschen wurden häufiger verzehrt. Man begann Wein zu jener Zeit auch in den eigenen Ländereien anzubauen, wodurch er günstiger und auch für die weniger Wohlhabenden erschwinglich wurde. Salate waren praktisch noch unbekannt, doch entwickelten sich eine Reihe weiterer landestypischer Gerichte. Zum einen entstanden die Pirog, gefüllte Teigtaschen aus Hefe- beziehungsweise Blätterteig und zum anderen verbreiteten sich zunehmend Backwaren aus Weizenmehl, woraus unter anderem Oladji hervorgingen, eine traditionelle Eierspeise und auch Bubliki, weiche Kringel aus gesüßtem Weißbrotteig. Als Süßspeise verbreitete sich zunehmend der sogenannte Kissel, eine Mehlspeise aus Fruchtsaft, die der roten Grütze ähnelt. Auch zeichnete sich bereits die Vorliebe für Eintöpfe und Suppen wie dem weltberühmten Borschtsch ab.

Das 17. Und 18. Jahrhundert

Im 17. Jahrhundert gab es in Russland eine zunehmende Trennung der gesellschaftlichen Schichten in arm und reich, was sich auch auf den Tellern des Volkes widerspiegelte. Die Ernährung der ärmeren Schichten wurde unausgewogen und einseitig, die Küche der Wohlhabenden wuchs, wurde feiner und vielfältiger. Wer es sich leisten konnte, hatte durch den zunehmenden Handel eine große Auswahl an Gewürzen oder süßen Früchten. Der Import von Rohrzucker ermöglichte die Gestaltung vielseitiger Süßspeisen. Weiterhin erfreuten sich Suppen, wie die säuerlich-scharfe Soljanka oder die säuerliche Fleisch- beziehungsweise Fischsuppe Rassolnik weit verbreiteter Beliebtheit. Im 18. Jahrhundert ging die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander. Die Küche der oberen Schichten wurde durch Importe immer mehr von der ausländischen Küche beeinflusst, während die unteren Schichten unter einer kulinarischen Verarmung zu leiden hatten. So gab es auf der einen Seite die internationalen Speisen mit gemischten Beilagen und Salaten. Auf der anderen Seite stand die funktionale Küche der Armen, die lediglich die Mäuler stopfen sollte. Die traditionellen russischen Speisen schienen in Vergessenheit zu geraten und wurden erst wieder nach dem Nationalbewusstsein stärkenden Krieg gegen Napoleon I. zum Leben erweckt.

Die sowjetische Küche

Durch regen Handel und schnelle Verkehrsverbindungen der Moderne, beeinflussten sich die regionalen Küchen Russlands gegenseitig und brachten Gerichte wie die Pelmeni zum Vorschein, die im ganzen Land verbreitet waren. Bei den Pelmeni handelt es sich um mit Fleisch gefüllte Teigtaschen, die in etwa mit unseren Maultauschen verglichen werden können. Man aß diese als Beilage in den nach wie vor beliebten Suppen oder auch als Hauptgericht. Nach der Revolution im Jahre 1917 gab es in Russland vorwiegend die sogenannte genossenschaftliche Speisenproduktion, welche die häusliche Kochkunst und traditionelle russische Gerichte wieder in den Hintergrund treten ließ. Mit dem Ende der Sowjetunion in den 1970er Jahren erhielt die internationale Küche den Einzug in das Land und der Fastfood-Einheitsbrei verwässerte das kulinarische Gut des Landes zunehmend.

Von Suppen, Sakuski und Tee

Natürlich gibt es bis heute noch traditionelle Gerichte, die nicht verdrängt werden konnten. So ist die russische Küche noch heute besonders reich an Suppen, wie eben Borschtsch, Soljanka oder auch Ucha, einer ausgesprochenen Fischsuppe. Und noch immer ist das Land berühmt für seinen Kaviar, der innerhalb der Bevölkerung jedoch nie eine besonders große Rolle spielte. Vielmehr waren und sind die Fischeier ein Prestigeobjekt gegenüber dem Ausland, denn heiß geliebtes Gericht. Schon der russische Schriftsteller Wladimir Kaminer betonte, dass ein Russe die eingelegten Gurken zum Wodka jederzeit dem Kaviar vorziehen würde. Doch auch ohne Kaviar hat die traditionelle russische Küche eine Menge interessanter Gerichte zu bieten, die zu einer ausführlichen Erkundung einladen.

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Über Stephan Lenz

Stephan Lenz studierte Philosophie, Soziologie und Anglistik an der Universität Mannheim. Es folgten schriftstellerische Fortbildungen und die freiberufliche Arbeit als Autor und Journalist. Neben unzähligen Artikeln in diversen Magazinen, veröffentlichte er Prosa im Charon Verlag, Hamburg, sowie im Wortkuss-Verlag, München. Er gehört seit vielen Jahren zum festen Stamm der Redaktion des Artikelmagazins.