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NSU-Mordprozess – Urteil mit Ansage?

Wie frei wird ein OLG-Richter im NSU-Prozess entscheiden können, wenn er von den Medien getrieben wird? Zwischen Presse und Justiz ist ein Machtkampf entbrannt.

Richter Manfred Götzl mit seinen Beisitzern im Münchner NSU-Prozess.

Der Vorsitzende im Münchner NSU-Prozess Manfred Götzl (z. v. l.) steht seit Wochen unter heftiger Kritik der Medien.
Bild: © picture alliance / dpa

Ein Richter ist völlig frei in seiner Entscheidung, er ist allein seinem Gewissen verpflichtet. Wirklich?

Es ist schon jetzt erkennbar: der Münchner NSU-Prozess wird zu einem bisher nie gekannten Machtkampf zwischen Presse und Justiz. Scherzhafte Frage zu Beginn, die einem unter den Prozessbeobachtern immer wieder begegnet: Urteilt ein verunsichertes Gericht – oder gleich die Bildzeitung, die es immerhin geschafft hat, den höchsten Repräsentanten unseres Staates zum Rücktritt zu zwingen?

Es steht außer Frage: der vorsitzende OLG-Richter Manfred Götzl ist als Jurist ein fähiger Kopf. Hat er sich möglicherweise deshalb übernommen? Hat er in der Vorbereitung des historischen Zschäpe-Prozesses die Macht der Presse übersehen?

Das Urteil der Medien über Richter Götzl steht bereits fest

Als herausragende Gegner hat Richter Götzl vor allem jene Edelfedern von der Frankfurter Allgemeinen, von der bissigen taz und von Springers Welt, die es sonst gewöhnt sind, in der ersten Reihe zu sitzen. Diesmal erhielten sie nicht einmal eine gewöhnliche Platzkarte.

Das Urteil über den Richter Götzl ist von den Mächtigen bereits gesprochen, zum Beispiel von der Frankfurter Allgemeinen. Die Auswahl der zugelassenen Zeitungen bezeichnet die FAZ als „inhaltsleeres Gerichtslotto.“ Fast schäumend geht es weiter: „Bild und Glotze reichen nicht.“

Nicht minder scharfzüngig geht die „Süddeutsche“ mit Richter Götzl ins Gericht, den sie schon beinahe respektlos karikiert: „Ein Mann wie ein Paragraph!“ An anderer Stelle wird er gleich als „harter Hund“ geschmäht.

Ein Leserbriefschreiber darf unwidersprochen behaupten: „Der Mann (Richter) diskreditiert mit seiner Vorgehensweise die gesamte Justiz.“ Herr Götzl ist streng und manchmal auch cholerisch. Gleichzeitig aber ist er ein vorzüglicher Jurist, dem der „Jahrhundertprozess“ mit all seinen Fallstricken noch am ehesten zugetraut werden kann. Sein Pech ist es nur, dass er sich im Vorfeld mit den Mächtigen der Presse anlegen musste.

Prompt wurde er vom Bundesgerichtshof gemaßregelt, weil er für die türkischen Medien keine Plätze im Gerichtssaal reserviert hatte. Diese Rüge machte den OLG-Richter Götzl natürlich erst recht verwundbar.

Gewiss war dies eine Steilvorlage für die Presse, die in ihrem Machtkampf gegen die Justiz jetzt erst richtig loslegen konnte. Der kluge Schreiber einer ausgebremsten VIP-Zeitung warf dem Richter Götzl „fehlende Rechtskultur“ vor, weil er zum erstenmal eine Art Gerichtstombola einführte, um die begehrten Presseplätze zu verteilen.

Das Gericht darf sich nicht das Heft aus der Hand nehmen lassen

Kann sich ein solcherart angeschossener Richter tatsächlich noch frei in seiner Entscheidung fühlen? Hunderte von Scharfschützen der Presse haben ihre Stifte wie Pfeile auf die Herren in den schwarzen Roben gerichtet. Die wahre Kunst von Richter Götzl und seinen Beisitzern besteht nun darin, am Ende ein Urteil zu finden, das der Justiz ihre Unangreifbarkeit zurück bringt. Und den Angeklagten gerecht wird, denn darum geht es am Ende auch noch.

Ein Leserbriefschreiber hat es vielleicht noch am besten getroffen, indem er formulierte: „Die Presse sollte jetzt einfach mal die Klappe halten, und das Gericht seine Arbeit machen lassen.“ (Sic!)

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