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Eklat um Werbebrief:

Wirbt die Lufthansa mit sexistischen Mitteln?

Ein Werbebrief der Lufthansa sorgt für Aufregung. Die Kampagne sei sexistisch und vermittle ein Frauenbild wie aus den 1950ern Jahren.

Feministin zerreisst den Werbebrief von der LufthansaErst vor kurzem haben wir in einem anderen Artikel über den sogenannten „Shitstorm“ berichtet, eine Anfeindung gegenüber einem Unternehmen oder einer Person, welche die Massen mobilisiert, um gemeinsam auf das Opfer einzuprügeln. Wie es der Zufall will, wurde erst kürzlich ein erneuter Shitstorm losgetreten. Opfer dieses Mal: die Lufthansa. Gegenstand der Aufregung ist dabei ein Werbebrief, der besonders Frauen und Sprachwissenschaftlern übel aufgestoßen ist.

Worum die ganze Aufregung?

Die Lufthansa verschickte im Rahmen ihrer „Miles & More“-Aktion einen Werbebrief an männliche Kunden, der scheinbar von der Partnerin der Männer geschrieben war. In gedruckter Handschrift bat die fiktive Frau dabei um die Beantragung der „Miles & More“-Partnerkarte. Klingt nach einer witzigen Idee, löste aufgrund der Sprachwahl und Formulierung des Briefes allerdings einen Sturm der Entrüstung aus. Denn die Lufthansa werbe ganz offensichtlich mit unverfrorenem, unverfälschtem Sexismus und diskriminiere die Frau auf Übelste, in dem man ein Frauenbild wie aus den 1950ern Jahre zeichnet. Damit die Vorwürfe aber nicht nur böse Unterstellungen bleiben, hat ein Sprachwissenschaftler den Brief in seinem Blog analysiert und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich dabei nicht nur um schlechte und dumme Werbung handele, sondern zudem um eine gefährliche der schlimmsten Machart. Die Lufthansa selbst entschuldigte sich umgehend dafür, falls der Eindruck des Sexismus entstanden wäre, sieht sich dem Vorwurf aber vollkommen zu Unrecht ausgeliefert. Doch alle wohlwollenden Worte kommen zu spät, der Zorn der Feministinnen ist nicht mehr zu besänftigen. Ist das nun aber gerechtfertigte Kritik oder doch nur viel Lärm um nichts?

Interpretationen können vielseitig sein

Liest man die Kritik der Werbung und die nicht gerade zimperlichen Anfeindungen gegenüber der Lufthansa, so könnte man meinen, dass es sich bei dem Werbebrief geradezu um eine gesellschaftliche Streitschrift handeln würde, welche durch antiquierte Ansichten die Rolle der modernen Frau beleidigt. Betrachtet man die Textanalyse des Werbebriefes genauer, so wird auch exakt dieser Eindruck erweckt, doch bleibt die Aussage des Textes bei allem Respekt gegenüber der Wissenschaft eine Frage der Interpretation, die sich problemlos in die eine oder andere Richtung biegen lässt. Oder würden Sie den Satz „Ich habe eine kleine Bitte“ als Zeichen der Unterwürfigkeit interpretieren? Das hängt wohl stark vom Standpunkt ab, die unterwürfige Frau würde genau das sehen, die moderne, emanzipierte Frau steht drüber und denkt sich nichts dabei. Sollte man meinen, denn sicherlich wird der sexistische Gehalt der Aussage im Gesamtkontext schlüssig erklärt, doch mag dies der eine als akribische Analyse bezeichnen, während es der andere an den Haaren herbeigezogen nennt. In allen anderen Zusammenhängen mag solch eine Analyse angemessen sein, aber in einem Werbebrief ein frauenfeindliches Konstrukt zu entlarven, das ganz nebenbei ja selbst um die Frauen wirbt, erfordert schon ein Mindestmaß an Phantasie. Sicherlich strotzt der Werbebrief vor Klischees, man nehme nur die Reise nach Paris als Beispiel, aber diese Stereotypen derart öffentlichkeitswirksam aufzuladen und einen tiefgründig frauenfeindlichen Stempel aufzudrücken produziert doch erst einen Sexismus, der dem unbedarften Leser wahrscheinlich gar nicht aufgefallen wäre. Stammte die Wortwahl aus einer politischen Ansprache, könnte man die Aufregung verstehen, aber bei der angesprochenen Werbung reagierten selbst viele Frauen mit selbstbewusstem Unverständnis über den stilisierten „Skandal“.

Lufthansa stoppt die Werbeaktion

Sich einem Shitstorm mit breiter Brust entgegenzustellen ergibt nur wenig Sinn. Entsprechend gibt die Lufthansa auch klein bei, nimmt die Rolle als Übeltäter an und entschuldigt sich bei allen Kunden. Die Werbeaktion wurde natürlich gestoppt. Jeder der Werbung aber genauer betrachtet, weiß, dass beim medienwirksamen Kampf um Kunden gerne mit Klischees gespielt wird. Entsprechend gab es in der Vergangenheit auch deutlich sexistischere Werbung, um die weitaus weniger Wirbel gemacht wurden und denen sich keine Wissenschaftler verpflichtet fühlten näher auf den Grund zu gehen. Doch wie man die Angelegenheit nun auch drehen und wenden möchte, hat die Kampagne eines ohne den geringsten Zweifel erreicht: eine Menge Aufmerksamkeit. Und genau darum geht es doch in der Werbung, nicht wahr?

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Über Stephan Lenz

Stephan Lenz studierte Philosophie, Soziologie und Anglistik an der Universität Mannheim. Es folgten schriftstellerische Fortbildungen und die freiberufliche Arbeit als Autor und Journalist. Neben unzähligen Artikeln in diversen Magazinen, veröffentlichte er Prosa im Charon Verlag, Hamburg, sowie im Wortkuss-Verlag, München. Er gehört seit vielen Jahren zum festen Stamm der Redaktion des Artikelmagazins.