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Laziogate-Affäre:

Altrömische Orgien in der Region Lazio

Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter Parlamentariern im Dunstkreis von Rom. Es geht um die Veruntreuung von über 20 Millionen Euro Steuergeldern.

Renata Polverini bei einem PresseterminEs waren offenbar altrömische Orgien mit Austern und Champagner, leicht bekleideten Schönen und verkleideten Männern mit Schweinemasken. Die Männer, das waren Regionalabgeordnete der italienischen Region Lazio und ihre „Mäzene“, und allesamt gehören sie der Partei „Volk der Freiheit“ (PDL) des früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi an. Jetzt sind die Masken gefallen: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des begründeten Verdachts der Veruntreuung von Partei-,  sprich Steuergeldern, sämtliche oppositionelle Abgeordnete des Regionalparlaments sind aus Protest zurückgetreten, und nun hat auch die Regionalpräsidentin Renata Polverini von der PDL unter Beteuerung ihrer Unschuld ihr Amt zurückgegeben. Nach einem ausführlichen Gespräch mit Italiens Ministerpräsidenten Mario Monti.

Luxuriöse Geschäftsessen und Partys

Die Region Lazio (Latium) mit ihren 5,77 Millionen Einwohnern liegt sozusagen am „Knie“ der Apennin-Halbinsel, sie umrahmt die Hauptstadt Rom. Hier hat es offenbar schon seit Anfang 2011 munteres Treiben gegeben, das kaum etwas mit politischem Wirken zu tun hatte. Die Staatsanwaltschaft argwöhnt inzwischen, dass Regionalabgeordnete der Berlusconi-Partei letzten Endes auf Kosten der Steuerzahler luxuriöse Geschäftsessen und Partys veranstaltet und Spesenabrechnungen systematisch gefälscht haben. Was sie solchermaßen „eingestrichen“ haben, soll binnen anderthalb Jahren bei einer Größenordnung von 21 Millionen Euro gelegen haben.

Allein fünf Schwarzgeldkonten in Spanien

Franco Fiorito wurde mittlerweile verhaftet. Renata Polverini ist von ihrem Amt zurückgetreten.Im Mittelpunkt der staatsanwaltlichen Untersuchungen steht der frühere Pdl-Fraktionschef und Kassenwart Franco Fiorito, dem allein schon die Veruntreuung von Millionenbeträgen vorgeworfen wird. Ihm wird neben seinem luxuriösen Lebensstil die Fälschung von Rechnungen vorgeworfen. In diesem Zusammenhang wurden allein fünf Konten für Schwarzgelder in Spanien entdeckt. Der 41jährge beteuert allerdings seine Unschuld. Wenn es zu Neuwahlen in Lazio komme, werde er wieder kandidieren, versicherte er trotzig in Zeitungsinterviews. Genutzt hat das allerdings nichts. Fiorito wurde mittlerweile in Arrest genommen. Roms Bürgermeister Gianni Alemanno, ebenfalls Parteimitglied der Berlusconi-Formation, forderte einen völligen Neuanfang für seine Partei und die politischen Konstellationen in der Region.

Vorgezogene Neuwahlen stehen an

Nach dem Rücktritt sämtlicher oppositioneller Abgeordneter und dem Rückzug der Präsidentin dürfte es in der Tat zu vorgezogenen Neuwahlen kommen. Renata Polverini selbst hat erklärt, von den Vorgängen in ihrer Partei nichts gewusst zu haben. Die frühere Generalsekretärin der Gewerkschaft „Unione Generale del Lavoro“, enge Vertraute von Berlusconi, war im März 2010 zur Präsidentin der Region Lazio gewählt worden. Dabei konnte sie sich auf eine Listenvereinigung mehrerer rechtsgerichteter Gruppierungen stützen. Mit ihrer Wahl hatte sie versprochen, die Ausgaben der Regionalregierung deutlich zu reduzieren. Stattdessen aber stiegen sie Lauf ihrer Amtszeit weiter an.

Berlusconi schweigt – und attackiert Berlin

Der Korruptionsskandal im italienischen Herzstück Lazio kommt naturgemäß Silvio Berlusconi wenig gelegen. Denn er organisiert offenbar für die nationalen Neuwahlen – wahrscheinlich im März 2013 – eine erneute Kandidatur als Regierungschef vor. Den Boden dafür bereitete er zuletzt angesichts der Eurokrise auch mit antideutschen Parolen, die bei vielen Italienern noch immer auf Zustimmung stößt. So hat er zuletzt der amtierenden Regierung Monti vorgeworfen, sich „dem Diktat“ von Bundeskanzlerin Merkel zu unterwerfen. Der Regierung in Berlin müsse klargemacht werden, dass ein strikter Sparkurs nicht aus der europaweiten monetären Krise helfe. Wenn dies nicht gelinge, wäre es am besten, wenn Deutschland aus der Eurozone ausscheide. Wirre Parolen sind es, aber sie finden Resonanz.

Fotos: © picture alliance / dpa / www.dagospia.com

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Über Klaus J. Schwehn

Nach 25 Jahren spannender Tätigkeit als Parlamentskorrespondent in Bonn (Badische Zeitung, Die Welt, Berliner Tagesspiegel) lebe ich heute in Oberitalien. Meine Arbeitsschwerpunkte sind Politik und Gesellschaft in Italien und Deutschland; aber auch Fragen der Europäischen Union.