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Wahlkampf in Italien:

„Die Deutschen sind Schuld an Italiens Misere“

Kommt Berlusconi wieder – oder wird Mario Monti gebeten? Der Wahlkampf in Italien ist im vollen Gang. Und Berlusconi hat einen Schuldigen für die Misere Italiens gefunden: Deutschland.

Silvio Berlusconi in der TV-Sendung "Porta a porta", im Hintergrund auf der Videoleinwand ist Ministerpräsident Mario Monti zusehen.

Silvio Berlusconi in der Sendung „Porta a porta“ beim TV-Sender Rai Uno in der es beinahe zu einem Eklat kam.
Bild: © picture alliance / dpa

„La Merkel“ ist schuld. Die Deutschen sind schuld daran, dass Italiens Häuslebesitzer wieder eine happige Grundsteuer, IMU genannt, zu bezahlen haben, dass die Mehrwertsteuer offensichtlich doch in absehbarer Zeit von jetzt 21 auf 23 Prozent erhöht wird, dass der Liter Heizöl 1,46 Euro und der Liter Benzin 1,85 Euro kostet. Die Deutschen sind schuld, weil sich nämlich „La Merkel“ sozusagen mit der „Gewalt eines Panzers“ (das Bild zieht mit Blick auf „Teutonen“ immer) Brüssel unterjocht hat, und die EU  deshalb Italien unterdrückt. Es sind diese „einfachen“ Botschaften, mit denen der frühere italienische Regierungschef Berlusconi derzeit durchs Land zieht, um Wahlkampf zu machen für den am 24. und 25. Februar 2013 anstehenden landesweiten Urnengang, nachdem Ministerpräsident Mario Monti den Rücktritt erklärt hatte.

Im öffentlichen Fernsehen fast ein Eklat

Es sind diese „einfachen“ Botschaften, die bei vielen Italienern immer wieder Anklang finden. Und der „Cavaliere“ spielt diese Klaviatur in Meisterschaft. Derzeit in unzähligen Interviews, die in Wahrheit Monologe sind, vorzugsweise in den ihm gehörenden Fernsehanstalten von Rete Quattro bis Canale 5. Dann allerdings kann es auch mal daneben gehen. Als Berlusconi nämlich kurz vor dem Weihnachtsfest gnädig auch dem – ihm nicht untertanen – staatlichen Fernsehsender Rai 1 ein Interview gewährte, kam es fast zum Eklat. Der Interviewer (Bruno Vespa) nämlich unterbrach den deutschfeindlichen Redefluß mit der Zwischenfrage, ob nicht vielleicht auch die Italiener und auch er, der frühere Ministerpräsident, ein bisschen Mitschuld an Italiens Misere hätten?? Da tobte der Meister, sprang auf und wollte vor laufender Kamera das Interview beenden.

Staatsverschuldung? – Etwas Abstraktes

Damit hat Silvio Berlusconi unbeherrscht auf etwas reagiert, was besonnene italienische Politiker und Diplomaten schon lange beklagen. Der frühere italienische Botschafter in Berlin, A. Puri Purini, hat es jüngst in einer deutschen Zeitschrift artikuliert: Vergangene Mitte-Rechts-Regierungen in Italien hätten durch skrupellose Politik „eine Generation oberflächlicher Menschen geschaffen“. Jahrelang hätten die Italiener „in einer Blase gelebt. Man brauchte nichts zu wissen“. Staatsverschuldung beispielsweise – etwas Abstraktes. Die Folgen zeigten sich heute  in den desaströsen Zuständen in Politik, Justiz und öffentlicher Verwaltung, in der mangelhaften wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit sowie im nachlässigen Umgang mit dem kulturellen und landschaftlichen Erbe.

Eine „platte Meinungsmache“

Das zielte und zielt natürlich auf Berlusconi, der immerhin seit 1994 viermal italienischer Regierungschef war. Und das ist – mit Blick auf die in zwei Monaten stattfindenden Wahlen, zugleich ein Plädoyer für den jetzt zurückgetretenen Mario Monti, seine begonnenen Reformen fortzusetzen. Der frühere EU-Kommissar, weil Senator auf Lebenszeit, kann bei diesen Wahlen nicht kandidieren. Aber er kann von einer Parlamentsmehrheit zum Ministerpräsidenten bestellt werden. Dazu, sagt der ehemalige Diplomat, brauche es allerdings – auch von außen – das richtige, das beruhigende Klima. Es sei zu beklagen, dass große Teile der  deutschen Öffentlichkeit „Italien mit geradezu herablassender Härte maßregeln“.  Eine „derart platte Meinungsmache“ könne nicht folgenlos bleiben. Südlich der Alpen habe sich ein antideutsches Gefühl breit gemacht, nördlich der Alpen lebe das alte Misstrauen gegen das als wenig verlässlich geltende Italien wieder auf.

Redeaustausch zwischen Kanzler und Premier?

Da nun also die Deutschen, ohne es zu wollen, offenbar so stark in Italiens Innenpolitik hineinspielen, rät der 70 Jahre alte Diplomat, früher Berater auch des italienischen Präsidenten Carlo Azeglio Campi, in naher Zukunft sollte „ein deutscher Kanzler vor der italienischen Abgeordnetenkammer sprechen, und der italienische Premier im Bundestag“.

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Über Klaus J. Schwehn

Nach 25 Jahren spannender Tätigkeit als Parlamentskorrespondent in Bonn (Badische Zeitung, Die Welt, Berliner Tagesspiegel) lebe ich heute in Oberitalien. Meine Arbeitsschwerpunkte sind Politik und Gesellschaft in Italien und Deutschland; aber auch Fragen der Europäischen Union.