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Organspende:

Lebensrettende Spenderorgane sind Mangelware

Alle acht Sunden stirbt in Deutschland ein Mensch, weil für ihn kein Spenderorgan bereit steht. Skandale rücken ein heikles Thema in den Vordergrund.

Organpaten: Infostand des BZgA - In Deutschland gibt es zu wenig OrganspenderDie jüngst bekannt geworden Skandale um Organspenden an deutschen Kliniken haben ein Thema ins Zentrum der gesellschaftlichen Diskussion gerückt, das gerne verdrängt wird. Obwohl es eigentlich auf den Nägeln brennen sollte. In Deutschland stirbt alle acht Stunden ein Mensch, weil es für ihn kein Spenderorgan gegeben hat. Dabei hatte der Gesetzgeber in Deutschland mit einer Novelle zum Transplantationsgesetz und einer Neuregelung der Organspende entsprechend EU-weiter Regelungen den Versuch unternommen, auf diesem heiklen Gebiet für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Doch nun könnte neu gewonnenes Vertrauen möglicher Spender wieder in Zweifel umschlagen.

Die Bilanz der Agentur „Eurotransplant“

Die bisherige Bilanz ist nicht berauschend. Es gibt beispielsweise eine gemeinsame zentrale Vermittlungsstelle für Organspenden aus Deutschland, Österreich, Slowenien und den Benelux-Staaten. „Eurotransplant“ heißt diese Organagentur, die auch grenzüberschreitend Hilfestellung gibt, wenn ein zu operierender Patient ein lebenserhaltendes Organ eines anderen, eines gestorbenen Menschen braucht. Und was sagt „Eurotransplant“, bezogen auf das Jahr 2011? In den angeschlossenen Ländern gab es im vergangenen Jahr 16,8 Spender auf eine Million Einwohner. Und das hieß mit anderen Worten, auf der Warteliste standen in 2011 exakt 15.499 Patienten, es gab 7480 Spenden, somit 7.480 Transplantationen. Und die anderen 8.019? Über sie sagt die Statistik nichts. Genauso wenig über die Daten in Deutschland. Hier gab es nur 14,4 Spender auf ein Million Einwohner, auf der Warteliste standen 11.586 Patienten, aber lediglich 4.362 Transplantationen konnten durchgeführt werden. 7.224 Menschen blieben (zunächst) ohne lebensrettendes Spenderorgan.

EU-weite Standards auch in Deutschland

Bundestag und Bundesrat haben zur Jahresmitte 2012 nach mehrjähriger Vorarbeit und ausführlichen, auch kontroversen Beratungen eine Neuregelung der Organspende beschlossen. Sie haben dabei eine EU-Richtlinie vom November 2011 in ihren wesentlichen Teilen übernommen und damit die Regelungen in Deutschland an geltendes EU-Recht angepasst.

Diese jetzt gültigen EU-weiten Standards besagen in ihren zentralen Punkten:

– Die so genannten Entnahmekrankenhäuser müssen künftig einen Transplantationsbeauftragten bestellen, der die Organspenden in seiner Klinik organisiert und überwacht und die oft psychologisch schwierigen Gespräche mit den Angehörigen eines verstorbenen Spenders führt.
– Die Kontrollmechanismen bei einer Organspende werden verbessert. So nimmt eine bei der Bundesärztekammer angesiedelte Prüfungskommission die Abläufe genau unter die Lupe – von der Feststellung des Hirntodes eines Spenders bis zur Implantation des entnommenen Organs.
– Lebendspender haben jetzt Anspruch gegenüber der Krankenkasse des Organempfängers auf Krankenbehandlung, Vor- und Nachsorge sowie Rehabilitation.

„Zustimmungslösung“ in der Bundesrepublik

Der Organspendeausweis kann Leben rettenDies sind die wesentlichen europäischen Standards zur Organspende und zur Kontrolle. Dabei gibt es für potentielle Spender allerdings unterschiedliche Regelungen: Nur in sechs Ländern, die Bundesrepublik Deutschland eingeschlossen, greift eine so genannte „Zustimmungslösung“. Sie besagt, dass der Verstorbene zu Lebzeiten, beispielsweise mit einem Organspendeausweis, einer Organentnahme zugestimmt haben muss. Liegt keine Zustimmung vor, dann können unter Umständen die Angehörigen über eine Entnahme entscheiden. Entscheidungsgrundlage ist der ihnen bekannte oder vermutete Wille des Verstorbenen.

„Widerspruchslösung“ – von den Ärzten favorisiert

In den meisten europäischen Ländern, von Belgien über Italien bis zu Spanien, greift hingegen die eigentlich von einem Großteil der deutschen Ärzteschaft auch favorisierte „Widerspruchslösung“.  Sie besagt, Organe zur Transplantation können entnommen werden, wenn der Verstorbene einer Organspende zur Lebenszeiten nicht ausdrücklich widersprochen und dies in einem Widerspruchsregister niedergelegt hat. In einigen Ländern haben allerdings die Angehörigen ein Widerspruchsrecht.

Damit im Ernst- und Notfall die persönliche Entscheidung des Einzelnen auch im fremdsprachigen Ausland verstanden und beachtet wird, veröffentlicht die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung für Reisende ein übersetztes Beiblatt zum Organspendeausweis in neun Sprachen. Es kann in Bulgarisch, Englisch, Französischen, Italienisch, Kroatisch, Polnisch,  Rumänisch, Spanisch und Ungarisch auch aus dem Internet heruntergeladen werden.

Mehr Organspender sind dringend nötig

Die europaweit greifenden Regeln haben das Ziel, Rechtssicherheit grenzüberschreitend zu gewährleisten – und dabei, obwohl es expressis verbis nicht im Gesetzestext steht – eine Basis zu schaffen, damit die Zahl der Organspender erhöht wird. Um beim Beispiel Deutschland zu bleiben: Hierzulande spenden deutlich weniger Menschen Nieren, Herz oder Leber als etwa in Spanien, Frankreich oder in den USA.

Fotos: © BZgA

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Über Klaus J. Schwehn

Nach 25 Jahren spannender Tätigkeit als Parlamentskorrespondent in Bonn (Badische Zeitung, Die Welt, Berliner Tagesspiegel) lebe ich heute in Oberitalien. Meine Arbeitsschwerpunkte sind Politik und Gesellschaft in Italien und Deutschland; aber auch Fragen der Europäischen Union.