Startseite / Politik / Steffen Seibert – die Flüstertüte der Kanzlerin

Regierungssprecher:

Steffen Seibert – die Flüstertüte der Kanzlerin

Der Journalist Steffen Seibert galt lange als Hoffnungsträger des ZDF. Heute verkauft er als Regierungssprecher die Arbeit der Bundesregierung.

Steffen Seibert wurde 2010 Regierungssprecher von Angela MerkelSteffen Seibert war Protestant  und wurde Katholik; er war Journalist und wurde Regierungssprecher. In die Berliner Republik hat er Frische gebracht, aber auch Verwirrung gestiftet. Warum wurde der erfolgreiche Journalist Angela Merkels „Flüstertüte“? Weil er dabei sein wolle, wenn im politischen Betrieb die Türen zugehen. Sagt er. Weil er „danach“ Intendant werden wolle, sagen andere. Und wer ist Steffen Seibert?

Das Revirement ging vor gut zwei Jahren völlig lautlos über die Bühne und wurde erst im Nachhinein publik. Als Nachfolger des bisherigen Berliner Regierungssprechers Ulrich Wilhelm, der Intendant des Bayerischen Rundfunks ernannt worden war, wurde der seinerzeit 50 Jahre alte ZDF-Journalist Steffen Seibert als Staatssekretär und Leiter des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Angela Merkels Regierungssprecher. Eine Entscheidung, die etwas überraschte: Zwar  galt und gilt Seibert als hervorragender, belastbarer und zugleich moderater, sanft wirkender  Journalist, aber er war nicht bekannt als einer, der im Berliner Politbetrieb verankert wäre.  Er war halt ein „Mainzelmännchen“ seit der Zeit seines Volontariats.

Schon als Volontär bei ZDF

Seibert hat nach dem Besuch der Tellkampfschule in Hannover – die offenbar eine Journalisten-Kaderschmiede ist, denn hier machte auch Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo das Abitur – in Hamburg und London Geschichte studiert. Danach, im Jahr 1989, begann er ein Volontarität beim Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) in Mainz. Dem Sender ist er mehr als 20 Jahre, bis zur Mitte des Jahres 2010, treu geblieben. Außerhalb der ZDF-Sendeantennen bewegte er sich lediglich zwischen 1992 und 1995 als ZDF-Auslandskorrespondent in Washington. In Mainz ging die Karriere anschließend ständig aufwärts und mündete 2007 in die Leitung des heute-journals in der Nachfolge von Klaus-Peter Siegloch. Für seine Moderation der Sondersendungen zum Anschlag auf das World-Trade-Center in New York wurde er in 2001 mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. Über sein Privatleben ist wenig bekannt. Seibert ist verheiratet, hat drei Kinder. Der getaufte Protestant ist später zum katholischen Glauben konvertiert. Über eine Parteizugehörigkeit ist nichts bekannt.

Weit mehr als nur „Wahr“-Sager

Steffen Seibert auf dem Weg zur BundespressekonferenzIn seinem Amt als Regierungssprecher wird er, wie seine Vorgänger, in der Öffentlichkeit zumeist wahrgenommen als jemand, der die Arbeit der Bundesregierung „zu verkaufen“ hat. Im Fernsehen taucht er zumeist montags, mittwochs und freitags auf, wenn er im Saal der Bundespressekonferenz, begleitet von den Sprechern der einzelnen Ministerien, den in Berlin akkreditierten Journalisten Rede und Antwort steht. Doch seine Aufgabe ist viel umfangreicher. Er ist als beamteter Staatssekretär Chef einer „Obersten Bundesbehörde“, die dem Bundeskanzler – in diesem Fall einer Bundeskanzlerin – direkt untersteht. Damit ist er auch einer der engsten Ratgeber des Regierungschefs. Zu seinen Aufgaben gehören zudem die Unterrichtung der Bundesregierung und des Bundespräsidenten über die weltweite Nachrichtenlage, er erstellt die „Kanzlermappe“, in der Entscheidungshilfen gebündelt werden, der Regierungssprecher hat zu diesem Zwecke auch die öffentliche Meinung zu erforschen und darzustellen, also alles Grundlagenmaterial zu sammeln und zu werten, das relevant ist für die politische Arbeit der Bundesregierung.

Felix von Eckardt hat das Amt geprägt

Das Amt ist auf eine sehr enge Zusammenarbeit mit dem Regierungschef angelegt, schließlich ist der Regierungssprecher zumeist in das sogenannte „Küchenkabinett“ im Bundeskanzleramt eingebunden. Dass es – trotz der heutigen Mediendemokratie – nicht ausreicht, der Regierung ein schönes Gesicht zu geben, sagt die Geschichte des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. Den hohen Anspruch hat eigentlich schon der erste Amtsinhaber, Konrad Adenauers Felix von Eckardt, festgezurrt. Dieser kluge Kopf hat zwar seine Lebenserinnerungen unter die Überschrift „Ein unordentliches Leben“ gefasst, aber in Wahrheit war es etwas anderes. Für ihn und für viele nach ihm zählten folgende Eigenschaften zum Amt: Unerschütterliche Ruhe, großes Wissen, Humor, schnelle Reaktionsfähigkeit, Kenntnis der Gesetze, unter der die journalistische Arbeit steht, und jederzeit Hilfsbereitschaft“.

Jener leichte Zug von Arroganz…

Das hat die meisten Nachfolger ausgezeichnet, auch wenn die vertrauensvolle Nähe zum Regierungschef häufig nicht allzu lange hielt. In den gut 60 Jahren Bundesrepublik Deutschland gab es bislang 24 Regierungssprecher. Das heißt, sie haben es im Schnitt jeweils nur 2,9 Jahre bei ihrem obersten Dienstherrn ausgehalten. Es waren diplomatisch-kluge Köpfe darunter. Karl-Günther von Hase (1962 bis 1967) beispielsweise, der nicht selten unter einem bekannten Sprichwort in die Bundespressekonferenz ging: „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts“. Oder Conrad Ahlers (1969 bis 1972) und Klaus Bölling (1974 bis 1980 und dann nochmals kurz in 1982) die treue Diener, beste Ratgeber von Willy Brandt oder Helmut Schmidt waren.  Oder Peter Boenisch (1983 bis 1985), der schon lange zuvor Helmut Kohls enger Polit-Berater gewesen war. Sie kannten die journalistische Klaviatur, hatten zugleich jenen abschreckenden, Distanz schaffenden feinen Zug von Arroganz. Unnachahmlich war beispielsweise Böllings Blick in eine unbestimmte Ferne am Fragesteller vorbei, wenn er ein Gespräch abbrechen wollte.

Zwei Minister für besondere Aufgaben

Sie arbeiteten im Range eines beamteten Staatssekretärs, mit drei Ausnahmen, zum Teil aus politischer Not geboren: Hans Klein (1989 bis 1990) fungierte als Bundesminister für Besondere Aufgaben, Friedrich Bohl (1998) war zugleich Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramts, und Otto Hauser (ebenfalls 1998) war Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeskanzler.

© Pixel Trader Ltd. 2013 Alle Rechte vorbehalten

Über Klaus J. Schwehn

Nach 25 Jahren spannender Tätigkeit als Parlamentskorrespondent in Bonn (Badische Zeitung, Die Welt, Berliner Tagesspiegel) lebe ich heute in Oberitalien. Meine Arbeitsschwerpunkte sind Politik und Gesellschaft in Italien und Deutschland; aber auch Fragen der Europäischen Union.