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Verpackungswahn:

Wenn das Auspacken zum Abenteuer wird

Verbraucherschutz wird von der Verpackungsindustrie oftmals sehr wörtlich genommen. Die Ware wird einfach hermetisch versiegelt, frei nach dem Grundsatz: Wenn ein Kunde die Ware nicht ausgepackt bekommt, dann ist er optimal geschützt vor ihr.

Unboxing - Auspacken von einem LaptopAls Mike Krüger 1980 sein Liedchen vom Nippel sang, den man zuerst durch die Lasche zu ziehen hatte, um dann die kleine Kurbel ganz nach oben zu drehen, da hielten Säle voller klatschender Menschen das für einen Riesenspaß. Wenn dann auch noch der Pfeil erschien und man auf selbigen drückte – so versprach der Herr Krüger uns – dann ging die Verpackung auf. Mittlerweile wäre man ja schon froh, wenn es mit dieser Anleitung noch klappen würde. Denn heute braucht der konsumwillige Verbraucher neben Zeit und Geduld vor allem ein ansehnliches Arsenal an Werkzeugen, um an käuflich Erworbenes heranzukommen. Und muss sich hinterher mit Bergen verschiedenster Verpackungsmaterialien herumschlagen, die natürlich nur sortiert entsorgt werden dürfen.

Dabei ist es schon zu verstehen, dass besonders zerbrechliche oder teure Produkte von der Industrie gut eingepackt werden. Schließlich sollen sie komplett und vor allem unversehrt beim Verbraucher ankommen. Allerdings haben die Verpacker offenbar noch nie so richtig hinterfragt, mit wem sie es da eigentlich zu tun haben – die meisten Menschen stehen mit vielen Verpackungen nämlich auf Kriegsfuß und wären über ein bisschen weniger Verbraucherschutz hocherfreut. Viele schätzen es zudem nicht besonders, wenn sie sich ihr Produkt nicht nur kaufen, sondern anschließend auch noch erarbeiten müssen. Wer kennt nicht die wütenden Erzählungen von Bekannten, Verwandten und Freunden, die schon dem Herzinfarkt nahe waren – weil sie eine CD gekauft hatten, aber nicht aus der Folie gefriemelt bekamen, die Milch nicht aus dem Tetrapak floss sondern unmotiviert in den Raum sprang und der Plastikriemen um den Pappkarton des neu erworbenen Mobiltelefons in die Finger schnitt.

Medialer Trend „Unboxing“: Wenn Männer Technik auspacken

Neuer Notebook wird ausgepacktWeil das Auspacken im Leben vieler Menschen so viel Platz einnimmt, wird es selbstverständlich auch längst medial verarbeitet – beim Unboxing. In unsagbar öden Videos dokumentieren Menschen, meist Männer, wie sie Dinge auspacken, meist technische Geräte. Und natürlich haben auch die Satiriker längst eigene Videos: Da werden vollkommen harmlose Bretter aus einem Paket gepackt oder Eis am Stiel fachmännisch aus der Verpackung geschält und dabei höchst ernst kommentiert. Lustig wird es immer dann, wenn das Auspacken im Prinzip so läuft wie zu Hause auch – zäh. Im Sommer 2012 wurde auf Youtube ein Video zur vielgeklickten Lachnummer. Ein Unboxing-Freund hatte ein Filmchen zusammengestellt – auf ihm sind elf Menschen zu sehen, die unabhängig voneinander versuchen, das Google-Tablet Nexus 7 auszupacken. Die seitlichen Klebestreifen bringen alle zur Verzweiflung, genau so aber der Versuch, die gewöhnliche Pappschachtel mit Boden und Deckel zu öffnen. Immerhin schaffen sie es alle irgendwann, wirken aber irgendwie ein wenig verzagt.

Der Menschheit Unterstützung liefern im Kampf mit Verpackungen und Inhalten wollte ein Deutscher im Juni 2012. Er demonstrierte wahren Verbraucherschutz, als er zeigte, wie man mit einem Produkt umgeht, das man nicht kennt. Die einfache Idee dahinter: Was einem unbekannt ist, kann man nicht richtig auspacken und findet deshalb den Inhalt nicht. Anlass des Filmchens war eine Aktion des Springer-Verlags zum 60. Geburtstag eines seiner Blätter: Jeder deutsche Haushalt sollte am 23. Juni 2012 ein kostenloses Exemplar der Bild-Zeitung bekommen. Hunderttausende wollte diese allerdings nicht mal geschenkt haben und verbaten sich dies im Vorfeld. Wer nun trotzdem ein Exemplar in seinem Postkasten fand, bekommt im Video erklärt, wie man es anstellen muss, um die Bild so zu entpacken, dass man an den Inhalt herankommt. Auspacken muss also nicht immer ärgerlich sein, es kann auch unheimlich Spaß machen.

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Über Manuela Käselau

Manuela Käselau ist Physiotherapeutin und Shiatsu-Praktikerin (GSD). Parallel studierte sie Phonetik, Niederdeutsche Linguistik und Systematische Musikwissenschaft an der Universität in Hamburg. Als freie Autorin schreibt sie für diverse Online- und Printmedien, hauptsächlich im medizinischen Bereich. Seit 2012 ist sie ein Mitglied der Redaktion.

Ein Kommentar

  1. Lustiger Beitrag. Manche Artikel sind aber auch wirklich so verpackt, dass man sie gar nicht öffnen kann. Mir fallen das gleich immer die Speicherkarten ein. Die sind ja auch immer sehr fest verpackt. Ohne Schere geht da nichts. Amazon hat ja jetzt auch schon die „frustfreie“ Verpackung. Das sollten auch andere Hersteller machen.