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Saatgut-Streit:

Bauern und Kleingärtner dürfen alte Sorten anbauen

Biologische Vielfalt hat den Vorrang vor rein wirtschaftlichen Interessen von Saatgutfirmen, hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Goldener Weizen - Bauern dürfen alte Saagut-Sorten wieder anbauenIn der Agrarwirtschaft ist es mittlerweile nicht anders als überall in Industrie und Handel: EU-Bestimmungen regeln, was Landwirte dürfen oder nicht. Egal, ob Großgrundbesitz und Massenproduktion oder kleiner familienbetriebener Bauernhof: Pflanzen und Saatgut sind markenrechtlich geschützt und in amtliche Kataloge eingetragen. Lizenzen, wohin man sieht.

Einige wenige Großkonzerne beherrschen den Saatguthandel, da sie durch ihre Züchtungen und Entwicklungen dieser Sorten alle Rechte an deren Vermarktung besitzen. Landwirte müssen in den sauren Apfel beißen und nicht nur die teuren lizensierten Aussaatprodukte kaufen, sondern auch große Mengen an Spritzmitteln und Dünger, ohne die es mit den modernen Sorten keinen ausreichenden Ertrag gibt.

Gerichtshof: kein EU-Vermarktungsverbot für alte Sorten

Einige kleine Bauern sehen den Ausweg darin, auf alte, nicht in den Listen aufgeführte Arten zurückzugreifen und zwar mit etwas geringerem Ertrag, dafür aber genetisch nicht manipuliert.

Im Weg stand Ihnen bisher ein Vermarktungsverbot der EU für derartige nicht registrierte Sorten. Als in Frankreich ein bäuerliches Netzwerk jetzt Pflanzensorten vertrieb, die in den offiziellen Sortenkatalogen nicht eingetragen waren, reagierte in französischer industrieller Saatgutproduzent prompt mit einer Klage.

Doch der Schuss ging nach hinten los: Das Rechtsgutachten der Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs, Juliane Kokott, an dem sich das Urteil dann orientierte, sieht im umkämpften Vermarktungsverbot eine große Gefahr der Verarmung unserer biologischen Vielfalt.

Traktor beim aussäen auf dem FeldSie sah es nicht als gerechtfertigt an, den Endverbrauchern mit ihren kleinen Schrebergärten vorzuschreiben, dass sie nur noch lizensierte Pflanzen züchten dürften. Hier müssten die vorgesehenen Ausnahmeregelungen für Erhaltungssorten greifen.

Ist die Ausnahmeregelung für die Landwirte wirklich umsetzbar?

Umwelt- und Naturschützer haben jetzt die Hoffnung, dass die Großkonzerne, die mit ihren uniformen Sorten je nach Gemüse- oder Getreideart 70 bis 90 % des weltweiten Marktes beherrschen, beim weiteren Ausbau ihrer Vormachtsstellung behindert werden.

Doch auch die Anwendung der Ausnahmeregelung sind für die Landwirte und Erzeugergemeinschaften mit erheblichem Aufwand verbunden – zuviel, um den alten, ungeschützten Sorten eine wirkliche Chance einzuräumen, meint die Kampagne für Saatgutsouveränität. Die Beschränkung auf Höchstmengen und die nötigen kostenpflichtigen Zulassungsverfahren seien immer noch zu hohe bürokratische Hürden.

Der Verbraucher kann aktiv werden

Die Großindustrie wird sicher nicht so leicht klein beigeben und sich weiterhin für stärkere Reglementierungen einsetzen, um ihrem lizensierten, hochgezüchteten Saatgut auch weiterhin den Vormarsch auf den Feldern zu sichern.

Der Verbraucher bekommt von diesen rechtlichen Flügelkämpfen kaum etwas mit. Er wundert sich vielleicht nur hin- und wieder, warum es an allen Gemüseständen des Marktes die gleichen Sorten zu kaufen gibt und wieso es zwar große Mengen an Ware, aber immer weniger Geschmack gibt.

Wer gezielt nach alten Sorten fragt, im Supermarkt wie auf dem Bauernmarkt, kann als Verbraucher jedoch für die biologische Vielfalt und eine interessantere Ernährung aktiv werden.

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