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Das Energiespar-Gen:

„CRTC3” – Per Erbgut zum Übergewicht

Lange Zeit wollte man den Schwergewichten verkaufen, dass die Dünnen sich ausschließlich von Luft, Liebe und Lollo Rosso (natürlich ohne Dressing) ernähren.

Gentest: Labormaus - eine Maus im LaborDaran durfte allerdings in Anbetracht aller gesegneten Vielfraße mit unerschütterlichen Modelmaßen ernsthaft gezweifelt werden. Doch woher sollten die Pfundsmenschen den lebenden Beweis dafür nehmen, dass es tatsächlich die Gene sind, die das Gewicht gewaltsam nach oben treiben? Wie sollten Miss Molly und Mister Big stichhaltig darlegen können, dass sie an ihren allzu üppig geratenen Rundungen keine grundlegende Schuld tragen? Dieser fette gordische Knoten wurde jüngst durch das scharfe Schwert der Wissenschaft gelöst. Denn man hat tatsächlich jenes Gen, das die Begnadeten von den Beleibten trennt, eindeutig identifiziert. Doch bei welchem Namen muss man diese dicke Erbinformation nennen? Und welche nachhaltig abspeckenden Therapiemöglichkeiten könnten jetzt endlich den Weg vom Labor in die reale Welt der zukünftig Schlanken und Schönen finden?

crtc3 – Die Wurzel allen fetten Übels

Das menschliche Erbgut entscheidet darüber, ob der Stoffwechsel fröhlich alles verprasst, was man gedankenlos in sich hineinfuttert, oder ob sparsam gewirtschaftet wird, die kontinuierlich wachsenden Fettreserven dabei stets im wohlwollenden Blick. Doch welches Gen genau richtet hier über die künftige Anzeige der Badezimmerwaage? Es trägt die täuschend trockene Fachbezeichnung „crtc3“, weshalb ihm eher pragmatische Gemüter inzwischen auch den Spitznamen „Sparschwein-Gen“ verliehen haben. Menschen, bei denen sich diese Erbanlage ausgesprochen aktiv verhält, mutieren zu wohlbeleibten Energiesparern, deren körpereigene Energieeffizienz jedem Ein-Liter-Auto die Tränen in den Tank treibt. Dagegen können jene glücklichen Zeitgenossen, bei denen crtc3 mehr oder weniger im Dauerkoma liegt, buchstäblich bis zum Platzen fressen, ohne dass sich deswegen auch nur eine einzige Fettzelle zum Wachstum bemüßigt fühlte. Das nennt man Ungerechtigkeit.

Schlank durch Gendefekt

Das Gen "CRTC3" lässt sich bei Mäusen abschaltenIm Tierversuch ist manches möglich, was dem Menschen in diesem speziellen Fall den giftgrünen Neid ins rosig runde Gesicht treibt. Denn beispielsweise bei Mäusen lassen sich Gene im Labor schlicht und ergreifend „ausschalten“, also komplett deaktivieren. So geschehen bei der Wissenschaftlergruppe um Marc Montminy im Salk Institute in La Jolla. Sie verglichen Mäuse mit aktivem und mit deaktiviertem crtc3 und kamen zu echt fetten Ergebnissen. Während die Mäuse mit experimentell erzeugtem Gendefekt auch beim üppigsten Gelage nichts zulegten, gingen die Kollegen mit normal arbeitendem crtc3 beim ungehemmten Schlemmen sehr schnell in die Breite. Bei näherer Begutachtung konnte festgestellt werden, dass die schlank gebliebenen Mäuse ungleich viel mehr braunes Fettgewebe gebildet hatten. Da dieses braune Fett sich durch einen ausgesprochen hohen Energieumsatz auszeichnet, kann der tierische Schlank-Effekt unschwierig erklärt werden. Und das Gleiche gilt auch für den Menschen. Denn wenn man dünne Vielfraße mit dicken Diätopfern vergleicht, dann findet man exakt den gleichen Unterschied: braunes Fett hüben und weißes Fett drüben. Braunes Fett macht heiß und schlank, weißes Fett macht dick und krank.

crtc3 als Schlankschalter?

Wenn es gelänge, das Energiespar-Gen crtc3 auch beim Menschen ganz einfach abzuschalten, dann könnten Diäten bald Schnee von gestern sein. An genau so einer Methode wird denn auch derzeit geforscht. Da es zwischen Mäusen und Menschen allerdings kleine Unterschiede gibt, wird man geduldig abwarten müssen, bis diese Gentherapie beim Menschen wirklich einsatzfähig ist.

Weiterführender Link zum Thema:

Marc Montminy und 23 weitere Autoren: CRTC3 links catecholamine signalling to energy balance
Nature 468, 933–939 (16 December 2010) doi:10.1038/nature09564
http://www.nature.com/nature/journal/v468/n7326/full/nature09564.html

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