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Bakterien und Keime:

Der unerforschte Mikrokosmos im Bauchnabel

Wenig beachtet, begleitet er uns doch ein Leben lang und scheint zahlreichen anderen Wesen einen Lebensraum zu bieten: unser Bauchnabel, lateinisch Umbilicus.

Der Bauchnabel einer Frau

Der menschliche Bauchnabel beherbergt zahlreiche Bakterien und Keime. Bild: © fotolia.de

Doch nun wurde der bunte Mikrokosmos näheren Untersuchungen unterzogen. Mit überraschenden Ergebnissen.

Große Vielfalt im Mikrokosmos

Ein Team von Biologen der North Carolina State University nahmen Proben aus 60 verschiedenen Bauchnabeln. Und die Wissenschaftler fanden nicht nur die allseits bekannten Fussel. Sie entdeckten 2368 verschiedene Bakterienarten, wovon mehr als 1400 bislang unbekannt waren. Im Durchschnitt beherbergte jeder Bauchnabel etwa 50 unterschiedliche Keime. Der Proband mit der größten Artenvielfalt gewährte sage und schreibe 107 verschiedenen Bakterienarten Asyl in seinem Nabel.

Der Studienteilnehmer mit den wenigsten Arten hatte immerhin noch 29 Keimarten als Mitbewohner. Die Biologen identifizierten insgesamt 2368 Bakterienarten und 2188 fanden sich in weniger als zehn Prozent der Proben. Die meisten Arten fanden sich sogar nur in einem einzigen Bauchnabel. Keine Keimart kam bei allen Testpersonen vor und doch konnten die Biologen dominante Bakterienarten identifizieren. Acht Keimarten, sogenannte Oligarchen, bildeten den Hauptanteil der Gesamtbakterien, nämlich 45 Prozent.

Lebewesen aus fremden Welten

Bei einem der Studienteilnehmer, dem Wissenschaftsautor Carl Zimmer, wurden sogar äußerst exotische Untermieter gefunden. Unter den 53 verschiedenen Bakterienarten seines Bauchnabels fanden sich 17 Arten, die nur in seinem Nabel nachgewiesen wurden sowie Marimonasbakterien, die normalerweise nur in Ozeanen leben. Auch Bodenbakterien aus Japan, sogenannte Georginabakterien, besiedelten Zimmers Bauchnabel. Seltsam daran: Der Wissenschaftsautor hat Japan noch nie besucht.

Doch auch bei einem der Forscher selbst, Robert Dunn, fanden sich Lebewesen aus fremden Welten im Nabel: Pantoena-Bakterien, die sonst eher bei Pflanzen ein Zuhause finden. Wie die fremdländischen Keime den Weg in menschliche Bauchnabel finden, ist den Wissenschaftlern ein völliges Rätsel.

Von Piercings über Infektionen bis zu Flusen und jede Menge Haare kamen in den diversen Geburtsmalen zum Vorschein. Und ab und zu kamen auch gewisse Ekelgefühle bei den Forschern auf: Einer der Studienteilnehmer hatte sich nach eigenen Angaben seit einigen Jahren nicht mehr gewaschen. Doch die Bauchnabelprobe dieses Probanden ist natürlich wissenschaftlich hochinteressant. Und so fanden die Biologen dann auch sogar zwei Arten von Archaeen, zu den Prokaryoten gehörende Einzeller. Archaeen erhielten ihren Namen wegen ihrer Vorliebe für archaische Standorte. Sie besiedeln gerne extreme Lebensräume, die für andere Lebewesen unzugänglich sind. Sie fühlen sich pudelwohl in kochend heißen Schwefelquellen oder austrocknenden Salzseen.

Projekt Umbilicus – wie kommt der Dschungel im Nabel zustande?

Die Biologen haben inzwischen mehr als 300 Proben untersucht, doch es sollen weit mehr als 600 aus dem gesamten nordamerikanischen Raum werden. Denn die Forscher wüssten gerne, wie die Zusammensetzung der Bakterien zustande kommt und ob und welche Funktion die Keime für den Menschen haben. Alter, Geschlecht, Wohnort und ethnische Herkunft haben nach den bisherigen Untersuchungen keinen Einfluss auf die Vielfalt der Lebewesen. Und für den Fall, dass die Frage jemals geklärt werden sollte, haben die Biologen schon weitere Pläne: Zahlreiches Leben, das weitgehend unerforscht ist, wird auch in anderen menschlichen Körperteilen und -öffnungen vermutet: Nasen, Augenbrauen, Zehennägel, Ohren oder Armbeugen. Mysterien, die nach Meinung der Wissenschaftler auf jeden Fall enträtselt werden müssen. Wer seine im Verborgenen existierenden Mitbewohner nicht so genau kennenlernen möchte, sollte sich in die zukünftigen Studienergebnisse des Forscherteams besser nicht allzu sehr vertiefen.

Quelle: Hulcr J, Latimer AM, Henley JB, Rountree NR, Fierer N, et al. (2012) A Jungle in There: Bacteria in Belly Buttons are Highly Diverse, but Predictable. PLoS ONE 7(11): e47712. doi:10.1371/journal.pone.0047712

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Über Angelika Lensen

Angelika Lensen ist gelernte Bürokauffrau und hat Betriebswirtschaft an der FH studiert. Seit 2010 arbeitet Angelika Lensen als freie Autorin und Journalistin. Neben ihrer Tätigkeit als Redakteurin beim Artikelmagazin, publiziert sie auch Beiträge für andere Online- und Printmedien mit Schwerpunkt Gesundheit, Medizin, Ernährung, Wissenschaft, Naturheilkunde.