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Umstritten:

Erste Gentherapie vor der Zulassung

Eine Gentherapie bringt Hoffnung für unheilbare Krankheiten, birgt aber auch Gefahren. Eine erste Therapie soll nun zugelassen werden.

Gentherapie - neues Medikament GlyberaFür Menschen, die an der Stoffwechselerkrankung Lipoproteinlipase-Defizienz , kurz LPLD, leiden, könnte eine neue Gentherapie Hoffnung geben. Denn ein neues Gen-Medikament wird aktuell von einer EU-Kommission auf seine Zulassung überprüft. Getrübt wird die Freude allerdings von den schweren Nebenwirkungen, die eine Gentherapie mit sich bringen kann.

Was ist LPLD für eine Erkrankung?

Bei LPLD handelt es sich um eine seltene Erkrankung, die den Fettstoffwechsel betrifft. Den Patienten, die unter dieser genetischen Krankheit leiden, fehlt ein bestimmtes Enzym für die Fettverarbeitung im Körper.  Schon winzige Mengen Fett aus der Nahrung können zu schweren Bauchschmerzen führen, eine fettige Mahlzeit kann dabei gar tödlich ausgehen. Therapiemöglichkeiten gibt es in solchen Fällen einige, doch verspricht keine der bekannten Maßnahmen eine Heilung. Anders sieht es mit dem Gen-Medikament aus, das aktuell für die Zulassung geprüft wird: Mit diesem könnten die LPLD Patienten von ihren Leiden befreit werden. Doch der Hoffnung gegenüber, stehen mögliche, massive Nebenwirkungen.

Neues Medikament kurz vor der Zulassung

Das bahnbrechende Arzneimittel trägt den Namen „Glybera“, wird von einem niederländischen Pharmaunternehmen hergestellt und wäre mit einer positiven Entscheidung der EU, die erste Gentherapie, die auch in Deutschland zugelassen wäre. Auch wenn der komplizierte Weg für eine Arzneizulassung noch nicht vollends beschritten ist, hat das Medikament schon die schwersten Hürden hinter sich. Experten bezeichnen die Zulassung von Glybera daher nur noch als Formsache.

Nur wenige Tests waren möglich

Da es sich bei LPDL um eine sehr seltene Erkrankung handelt, konnten entsprechend auch nicht sehr viele klinische Studien mit dem neuen Medikament durchgeführt werden. Nur 27 Patienten nahmen in Untersuchungen an der Gentherapie teil. Zwar seien die geprüften Therapien gut vertragen worden, doch könnte der Einsatz des Arzneimittels im Zweifelsfall für kontroverse Diskussionen sorgen. Denn einer positiven Beurteilung der Therapie stehen herbe Rückschläge aus der Vergangenheit gegenüber. Beispielsweise starb im Jahre 1999 ein 18-Jähriger nach der Gabe eines ähnlichen Gen-Medikamentes, wie es jetzt zugelassen werden soll. Zudem wurden Gentherapien auch bei Kleinkindern ohne eigenes Immunsystem eingesetzt. Zwar kam das Immunsystem durch die Gentherapie tatsächlich wieder in Schwung, doch erkrankten viele der Kinder an Leukämie. Hier gilt es nach Expertenmeinung die Vorteile gegenüber der Gefahren solcher Therapien gründlich abzuwiegen.

Kritiker sprechen von unkontrollierbaren Therapien

Selbstverständlich begrüßen die Befürworter von Gentherapien die bevorstehende Zulassung des neuen Medikamentes und sehen dies als Signal für neue Wege und Möglichkeiten in der Medizin. Kritiker sehen die Gentherapie vor allem in Hinblick auf die vergangenen Rückschläge in einem noch sehr experimentellen Umfeld, das sich bislang als nicht kontrollierbar erwiesen hätte. Ferner gebe es gerade bei der LPDL Erkrankung mit einer strengen Diät, eine zuverlässige Form der Behandlung. Aufgrund eines Mangels an Erfahrung, könne man zudem nicht absehen, ob die Gentherapie langfristig nicht auch weitere Änderungen oder Schädigungen am Organismus verursachen könnte. Da die Entwicklung des Medikamentes sehr teuer war, dürften die Bedenken zumindest für den Hersteller aber zunächst eher zweitranging bleiben. Wie sinnvoll eine derartige Gentherapie letztlich dann sein wird, hängt also im starken Maße von den Ergebnissen der praktischen Anwendung ab.

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Über Stephan Lenz

Stephan Lenz studierte Philosophie, Soziologie und Anglistik an der Universität Mannheim. Es folgten schriftstellerische Fortbildungen und die freiberufliche Arbeit als Autor und Journalist. Neben unzähligen Artikeln in diversen Magazinen, veröffentlichte er Prosa im Charon Verlag, Hamburg, sowie im Wortkuss-Verlag, München. Er gehört seit vielen Jahren zum festen Stamm der Redaktion des Artikelmagazins.