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H5N1-Virus:

Gefährliche Grippeviren aus Labor und Dschungel

Modifizierte Vogelgrippe und neu entdeckte Fledermausgrippe beunruhigen die Wissenschaft. Neue Entdeckungen im Bereich der Tiergrippen halten derzeit Regierungen und Wissenschaftler in Atem.

Gefährlicher Virus - infizierter Vogel wird entsorgt

Amerikanisches Gremium warnt vor Terror-Waffe

Der NSABB (National Advisory Board for Biosecurity) argumentierte, dass eine Veröffentlichung zu gefährlich sei. Terroristen oder Kriegsstaaten könnten auf die Idee kommen, aus dem mutierten H5N1-Erreger eine Biowaffe zu entwickeln. Außerdem könnte bei einem Unfall der Virus auch schlicht aus einem Labor entkommen und so eine Seuche auslösen. Ende Dezember wurden daher sowohl die Magazine als auch die Forscher aufgefordert, Details ihrer Experiment zurückzuhalten und nicht zu veröffentlichen. „Eine durch dieses Pathogen verursachte Epidemie kann nach realistischer Einschätzung ein solch großes Ausmaß annehmen, dass dies unter allen Kosten vermieden werden muss“, erklärt der NSABB-Vorsitzende Paul Keim.

Nach einer heftigen Debatte um Staats-Zensur, das Für und Wider solcher Forschung und akademischer Freiheit verkündeten führende Grippe-Experten am 20. Januar als Kompromiss ein 60-tägiges Moratorium. Die Forscher verpflichten sich darin freiwillig, bis Ende März keine Experimente mit Vogelgrippe-Viren zu unternehmen oder Berichte darüber zu veröffentlichen. Sie fordern Gesundheitsbehörden aber auch dazu auf, eine Debatte über das Problem zu führen und zu Entscheidungen zu gelangen. „Wir sehen ein, dass wir und andere Wissenschaftler die Vorteile unserer wichtigen Untersuchungen klar darlegen und Maßnahmen zur Reduzierung möglicher Risiken vorschlagen müssen“, heißt es in einer Erklärung.

Genfer Grippe-Gipfel mit wenig Resultaten

U.S Geological Survey - Obduktion eines GreifvogelsEin erster Versuch dazu, Mitte Februar in Genf, erzielte nur wenig Resultate. Auf Einladung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) diskutierte ein Expertengremium über zwei Tage, was mit den beiden Forschungsberichten geschehen solle. Hochrangige Forscher stimmten darüber überein, dass die Erkenntnisse zwar schließlich veröffentlicht werden sollten, es aber weiterer Überlegungen hinsichtlich der damit verbundenen Risiken bedürfe. Obwohl dies eine relativ moderate Empfehlung ist, steht sie Konflikt mit der Einschätzung des NSABB, der eine Veröffentlichung weiterhin bekämpft.

Der NSABB wurde 2001 ins Leben gerufen, nachdem es in den USA zu Terrorattacken durch per Post verschickte Milzbrand-Viren gekommen war. Die Aufgabe des Beirats ist es, das amerikanische Gesundheitsministerium und andere Regierungsbehörden zum Thema eines möglichen Missbrauchs von Forschung zu biologischen Angriffen zu beraten. Aufgrund dieser Gründungsgeschichte und Aufgabenstellung als Terrorwächter kann der NSABB kaum als eine neutrale Instanz für ethische Forschung angesehen werden. Allerdings hat das Gremium dennoch einen starken Einfluss auf Entscheidungen internationaler Wissenschaftler. Denn wer sich der NSABB widersetzt, kann damit rechnen, keine amerikanischen Fördergelder zur Forschung mehr zu erhalten.

Experimente könnten Leben retten

Verdacht auf Vogelgrippe - eine Probe wird vom Kadaver des Tieres genommenDie unnachgiebige Haltung des amerikanischen Gremiums könnte dabei nach Experteneinschätzung einen genau gegenteiligen Effekt haben. So verweist Ron Fouchier von der Rotterdamer Forschergruppe darauf, dass die in seinem Labor verursachten fünf Mutationen in zwei Genen des H5N1-Virus vereinzelt, wenn auch nicht zusammen, bereits in der Natur aufgetreten waren. Es sei damit nicht unmöglich, dass ein solcher gefährlicher Virus sich auch allein entwickeln könne. Und dann, so argumentieren die Wissenschaftler, könnten Erkenntnisse aus den Labors eine tödliche Epidemie nämlich genau verhindern. Der Chefredakteur des Magazin „Science“, Bruce Alberts, der die Ergebnisse nach wie vor drucken möchte, argumentiert, dass ein solcher Schritt „entscheidend dazu beitragen kann, die Entwicklung neuer Heilmittel für tödliche Influenza-Varianten zu beschleunigen“.

Effekte des Virus weniger tödlich als angenommen?

Angesichts der bei vielen Forschern als Panikmache betrachteten Diskussion hat Fouchier am Mittwoch (29. Februar) sich erstmals über konkrete Inhalte seiner Experimente geäußert. Auf einem Treffen der „Amerikanischen Gesellschaft für Mikrobiologie“ sagte er in Washington: „Wir haben vielfach gehört, dass der Virus sich wie ein Wildfeuer ausbreiten würde, wenn er aus einem Labor entkäme. Wir denken aber nicht, dass dies der Fall ist.“ Fouchier berichtet, dass nicht alle Frettchen in dem Experiment infiziert wurden, nachdem sie angeniest oder angehustet worden waren. Und  keines der infizierten Tiere sei gestorben.

NSABB-Mitglied Michael Osterholm betont zwar, dass diese harmlose Frettchen-Statistik sich nicht unbedingt auf Menschen projizieren lasse. Jedoch hat ein hochrangiger Vertreter des amerikanischen Gesundheitsministeriums, Anthony Fauci, nach Angaben der New York Times den Bioterror-Beirat angesichts der neuen Aussagen bereits aufgefordert, seine Empfehlungen zu überdenken. Fauci sagte der Zeitung, dass die NSABB wahrscheinlich wieder im März tagen werde. Dann endet auch das freiwillige Moratorium der Grippeforscher.

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Über Roman Goergen

Roman Goergen kann auf 20 Jahre Berufserfahrung als Journalist, Syndikations-Agenturleiter und Korrespondent zurückblicken. In vier Ländern auf drei Kontinenten - Deutschland, Namibia, Südafrika und Kanada sind seine Publikationen veröffentlicht worden. Seine Reportagen sind auf Deutsch und Englisch in über 70 führenden Zeitungen und Zeitschriften erschienen. Derzeit arbeitet er von Toronto aus für amerikanische, südafrikanische und deutsche Publikationen.