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Heilende Kleidung:

Medikamente anziehen statt schlucken

Es wird intensiv geforscht an High-Tech-Textilien, die Wirkstoffe über die Haut abgeben. Bei Schlafproblemen soll ein Schlafmittel-Nachthemd Abhilfe schaffen.

In Zukunft kann man Medikamente auch über die Kleidung aufnehmen.

Medikamente der Zukunft geben den Wirkstoff über die Kleidung an die Haut ab. Bild: © fotolia.de

Einschlafprobleme? Statt zu Baldrian, Hopfen oder Schlaftabletten könnte der Griff zukünftig in den Kleiderschrank gehen – das normale Baumwollnachthemd hat Pause, jetzt ist das Schlafmittel-Nachthemd gefragt. Sandmännchen 2.0. Oder hat der letzte Schwimmbadbesuch nicht nur körperliche Ertüchtigung, sondern auch Fußpilz beschert? Dann ist er gekommen, der große Tag der Anti-Fußpilz-Socke.

Cyclodextrine lautet das Zauberwort

Kleidung soll schön sein, Kleidung soll funktional sein, cool sein, ein Statement sein. Forscher arbeiten daran, dass sie künftig auch noch intelligent ist. Wie das? Nein, es geht nicht darum, bei der nächsten Klassenarbeit vom Pulli ins Ohr geflüstert zu bekommen, wie die verdammte Matheaufgabe zu lösen ist – obwohl das auch seinen Reiz hätte. Es geht vielmehr darum, Wirkstoffe auf die Kleidung aufzubringen, die so über die Haut kontinuierlich abgegeben werden. Damit das klappt, braucht es ein Transportmittel – und das haben die Forscher schon gefunden: Cyclodextrine, das sind Zuckerverbindungen, die sich fest mit den Textilien verbinden und mit Wirkstoffen aufgeladen werden können. Abbauprodukte von Stärke sind es, ungiftig sollen sie sein, Nebenwirkungen nicht bekannt. „In den molekularen Hohlraum der Cyclodextrine kann eine Vielzahl organischer Verbindungen eingelagert werden“, heißt es beim Deutschen Textilforschungszentrum Nordwest e.V.

Vitamine aus dem Hemdchen

Bereits jetzt gibt es Kleidungsstücke zu kaufen, die nach diesem Prinzip gefertigt sind. Etwa das Vitamin C-Shirt aus Japan. Damit das Ganze funktioniert, muss die „geladene“ Kleidung allerdings auf der Haut getragen werden – weswegen sich Unterwäsche anbietet, das heilende Höschen sozusagen. Oder das Hemdchen. Naheliegend ist deshalb auch der Einsatz zur Therapie von Hautkrankheiten wie etwa Neurodermitis. Ist die Socke mit Antimykotika geladen, so kann sie gegen Fußpilz helfen. Unterschiedlichste Wirkstoffe lassen sich so in die Fasern einbringen. Im Prinzip lässt sich jede Art von Fasern mit Cyclodextrinen ausstatten. Ganz ausgereift ist die Idee allerdings gegenwärtig noch nicht.

Intelligente Kleidung – aber: auf die Dosierung kommt es an

Bekanntlich ist bei medikamentöser Behandlung die Dosierung nicht ganz unwichtig. Sagt der Arzt etwa, morgens und abends je eine Tablette mit einem Glas Wasser, ist das eine klare Ansage. Doch wie lässt sich das Kopfschmerz-Hemdchen individuell dosieren? Hinzu kommt, dass Kleidung gewaschen wird. Zwar können die schlauen Kleidungsstücke in der Maschine gewaschen werden, allerdings verlieren sie dabei auch an Wirkung – nach etwa 30 Karussellfahrten in der Waschmaschine ist etwa der Effekt des Vitamin C-Shirts dahin. Dann muss das Stück neu aufgeladen werden. Das ist machbar, indem sie mit dem jeweiligen Stoff besprüht werden. Anders gesagt, die Cyclodextrine in der Kleidung können Stoffe aus der Umwelt aufnehmen. Doch fragen sie wohl kaum um Erlaubnis – und was ist so alles in unserer Umwelt?

Immer gut duften – Kampf dem Schweiß

Bereits erhältlich ist auch ein Herrenanzug, der unangenehme Gerüche bindet. Am Ende eine langen stressigen Arbeitstages noch duften wie ein frischer Frühlingsmorgen? Die Wissenschaft macht’s möglich.

Was jedoch die medizinische Verwendung angeht, so gilt es einerseits, die Fragen der Dosierung und Wiederaufladung zu klären, zum anderen bedarf es hier einer arzneimittelrechtlichen Zulassung – und die wird aus gutem Grund nicht ohne weiteres erteilt. Nebenbei, für die Vitaminversorgung könnte man auch einfach einen Apfel essen.

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Über Lucy M. Laube

Lucy M. Laube ist eine freie Journalistin und diplomierte Sozialwissenschaftlerin. Zu ihren bisherigen beruflichen Stationen zählen unter anderem Radio Bremen, Greenpeace und das Goethe-Institut. Seit Anfang 2012 schreibt sie als Redakteurin für das Artikelmagazin.