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Glutamat:

Spielt das Immunsystem eine Rolle bei Schizophrenie?

Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass Halluzinationen bei Schizophrenie durch ein fehlgeleitetes Immunsystem ausgelöst werden könnten.

Wissenschaftliche Mitarbeiter arbeiten im Labor.

Die Proben der Patienten, die unter Schizophrenie leiden, werden im Labor untersucht. Bild: © fotolia.de

Bei einem Teil der Schizophrenie Patienten könnte ein fehlgesteuertes Immunsystem als Auslöser für Halluzinationen in Frage kommen. Diesen Schluss lassen die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe unter Leitung von PD Dr. Johann Steiner und Prof. Dr. Bernhard Bogerts von der Magdeburger Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern am Institut für Experimentelle Immunologie (Euroimmun, Lübeck) zu. Die Forschungsergebnisse wurden in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift „JAMA Psychiatry“ veröffentlicht.

Die Schizophrenie  – Ein biologisches Rätsel?

Der Begriff der Schizophrenie wurde bereits vor über einhundert Jahren von dem Schweizer Psychiater Eugen Bleuler geprägt. Halluzinationen wie Stimmen hören, Wahnvorstellungen und Denkstörungen sind dabei typisch für das Krankheitsbild. Trotz medizinischen Fortschrittes blieb die Ursache der Schizophrenie jedoch im Dunkeln verborgen. Man fand lediglich heraus, dass erbliche Veranlagungen wohl eine wichtige Rolle spielen. Auffälligkeiten am Gehirn konnten nur bei einigen Patienten in geringem Maße festgestellt werden. Entsprechend vermutete schon Bleuler, dass es sich bei der Schizophrenie um eine Gruppe psychischer Erkrankungen handelt, die ähnlich in Erscheinung treten, aber unterschiedliche Auslöser haben können.

Unabhängige Diagnose ist schwierig

An der Diagnose der Schizophrenie hat sich auch nach über einhundert Jahren nicht viel geändert. Maßgebend dafür sind Patientenbefragungen und das Beobachten der typischen Symptome. Körperliche Untersuchungen, wie beispielsweise eine Computertomographie, dienen lediglich dafür, andere Erkrankungen wie Gehirntumore auszuschließen. Biologische Tests gab es bislang nicht, doch wären diese laut PD Dr. Steiner besonders hilfreich die tatsächlichen Ursachen einer Schizophrenie zu erkennen und gezielt zu behandeln. Die aktuellen Forschungsergebnisse könnten nun einen wichtigen Schritt in diese Richtung markieren.

Antikörper gegen Glutamat-Rezeptoren spielen eine Rolle

Für die aktuelle Untersuchung wurden Blutproben von 459 Menschen genommen, die einer akuten Schizophrenie, an Depressionen oder einer Borderline-Persönlichkeitsstörung litten. Zur Kontrolle dienten einige Blutproben von Menschen ohne psychische Auffälligkeiten. Bei der Auswertung lag dann besonderes Interesse auf dem Neurotransmitter Glutamat, der an der Signalübertragung von Nervenzellen im Gehirn beteiligt ist. Die Vermutung, dass psychischen Krankheiten mit einer Störung dieser Glutamat-Signalübertragung einhergehen, bestätigte sich bei einem Teil der Schizophrenie-Patienten. Fast 10% dieser Patienten wies einen Antikörper gegen den Nervenzellrezeptor des Botenstoffs Glutamat (NMDA-R) auf. Bei den Patienten mit Depressionen, einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sowie bei der gesunden Vergleichsgruppe waren diese Antikörper deutlich seltener beziehungsweise gar nicht gefunden worden. Die Entdeckung der entzündlichen Antikörper könnte nun zu neuen, effizienten Behandlungsmethoden für Schizophrenie-Patienten führen. Zunächst müsse der Nutzen von entzündungshemmenden Therapien aber noch genauer überprüft werden.

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Über Stephan Lenz

Stephan Lenz studierte Philosophie, Soziologie und Anglistik an der Universität Mannheim. Es folgten schriftstellerische Fortbildungen und die freiberufliche Arbeit als Autor und Journalist. Neben unzähligen Artikeln in diversen Magazinen, veröffentlichte er Prosa im Charon Verlag, Hamburg, sowie im Wortkuss-Verlag, München. Er gehört seit vielen Jahren zum festen Stamm der Redaktion des Artikelmagazins.