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Störweibchen:

Kaviar wird in Zukunft nachhaltig produziert

Bislang mussten die Störe getötet werden, um an den kostbaren Kaviar zu gelangen. Neue Methode eröffnet die Möglichkeit der nachhaltigen Gewinnung von Fischeiern.

Mit einer Pinzette werden dem Stör die Fischeier entferntKaviar ist nicht nur eine teure Spezialität – beim Zarenkaviar reden wir hier von einem Kilopreis bis zu 30.000 Euro – sondern dessen „Ernte“ ist für die Fische eine blutige, eine tödliche Angelegenheit. Die Zahl der Störe ist bereits stark dezimiert, ebenso die Menge des produzierten Kaviars. Manche Störarten sind akut vom Aussterben bedroht. Prof. Angela Köhler, Meeresbiologin am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven, hat eine Methode entwickelt, den Rogen vom lebenden Fisch zu gewinnen. Das AWI hat sich das Verfahren international patentieren lassen.

Kaviar ist teuer – auch für die Umwelt

„Die Störe im Kaspischen Meer sind nahezu ausgerottet“, erklärt Köhler. Wurden 1977 noch 2.000 Tonnen Wildkaviar legal gehandelt, waren es 2001 nur noch 85 Tonnen. Die drastische Abnahme der Störbestände liegt an der bisherigen Art der Kaviargewinnung: die Tiere müssen dafür getötet werden. Auch die Aquakultur löst das Problem nicht. Fünf bis acht Jahre dauert es, bis ein Störweibchen erstmals (und, da es dabei geschlachtet wird, letztmals) Kaviar liefert. Ein Raubbau an der Natur für ein bisschen Gourmet-Genuss. Wenn man sie ließe, „können manche Störarten bis zu 120 Jahre alt werden“, so Köhler. Und sie will sie leben lassen.

Die Krux der Kaviargewinnung

Kaviar wird beim Störweibchen herausgeholtNur zu einem bestimmten Zeitpunkt weisen die Fischeier die nötige Festigkeit auf, um das Prozedere der Verarbeitung überstehen zu können. Aus dem Fischweibchen herausgeholt, müssen die Eier gründlich gewaschen werden, um Blut und Fett zu entfernen. Anschließend werden sie gesalzen, um die Transformation zu einer schleimigen Masse zu verhindern. Nur mit unreifen Eiern (vor dem Eisprung gewonnen) war dies bisher möglich. Versuche mit einer Art Kaiserschnitt führten ebenfalls nicht zum gewünschten Erfolg, sondern zu Unfruchtbarkeit oder Tod der Tiere. Wem nun der Appetit auf Kaviar noch nicht endgültig vergangen ist, für den gibt es Hoffnung durch Köhlers Entdeckung.

Kaviar vom lebenden Stör – Sterneköche geben ihr „Go“

Wird ein reifes Störei von einem Spermium getroffen, verfestigt sich blitzartig die Ei-Membran, um eine Mehrfachbefruchtung zu verhindern. Signalstoffe werden frei, „welche eine Enzymmaschinerie in Gang setzen“, so die Information des AWI. Drei Jahre haben die Wissenschaftler geforscht, um diesen Effekt auch ohne Befruchtung zu erzielen. Der Rogen wird – für das Tier unschädlich, wenn auch vermutlich nicht erfreulich – vom lebenden Tier abgestreift. Die Eier bleiben in ihrem natürlichen Zustand erhalten und genügen „höchsten Qualitätsansprüchen“. Dies haben sich die Forscher von Sterneköchen bestätigen lassen.

Da die Tiere bei der neuen Methode nicht geschlachtet werden, können sie mehrmals „beerntet“ werden. Ein Stör kann mehrere Meter Länge erreichen, weshalb eine Maximalgröße die möglichen Ernten limitiert. Ein weiterer Vorteil der Köhlerschen Methode ist, „die Textur und Körnigkeit des produzierten Kaviars den Wünschen der Kunden anpassen zu können“. Kaviar maßgeschneidert, sozusagen. Länger haltbar sei er obendrein.

Produktion in Loxstedt soll bald starten

Das Verfahren hat sich das AWI patentieren lassen und die Firma Vivace GmbH ausgegründet. Unter anderem wohl wegen der hohen Abwassergebühren in Bremerhaven allerdings nicht dort, sondern etwas entfernt in Loxstedt. Noch laufen Genehmigungsverfahren. Anfang 2013 soll es aber losgehen mit der Produktion: mehrere Tonnen Kaviar pro Jahr, gewonnen von 10.000 Stören in Aquakultur sind das Ziel.

Fotos: © picture alliance / dpa

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Über Lucy M. Laube

Lucy M. Laube ist eine freie Journalistin und diplomierte Sozialwissenschaftlerin. Zu ihren bisherigen beruflichen Stationen zählen unter anderem Radio Bremen, Greenpeace und das Goethe-Institut. Seit Anfang 2012 schreibt sie als Redakteurin für das Artikelmagazin.