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Innovation:

Scheiße mit Sauerkrautsaft zum Segen der Menschheit

Klimakiller Kuhmist wird jetzt mit Sauerkrautsaft entschärft – und der Dünger aus Kuhdung behält seine wertvollen Nähr- und Inhaltsstoffe.

Thomas Rippel möchte eine Frage stellen

Er hatte die Idee: Thomas Rippel – Gewinner der Falling Walls Lab 2012 in Berlin. Bild: © Falling Walls Lab

„Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter – oder es bleibt, wie’s ist“. Dieser alten Bauernweisheit ist unschwer zu entnehmen, dass ein Misthaufen mit Hahn darauf  für meteorologische Weissagungen wenig taugt. Andererseits: Ein Misthaufen, vorzugsweise mit Kuhmist bestückt, hat klimatisch eine ziemliche Bedeutung; eine ziemlich negative. Kuhdung ist Fluch und Segen für die Menschheit; er wird einerseits als fruchtbarer Dünger in der Landwirtschaft verwendet, andererseits ist er ein „Klimakiller“. Der die Umwelt mit hohen Treibhausgasen belastet. Rund 450.000 Tonnen klimaschädliche Gase werden allein in Deutschland durch Kühe und ihre Hinterlassenschaft produziert. Dem schiebt jetzt ein junger Wissenschaftler auf ungewöhnliche Weise einen Riegel vor.  Der Schweizer Thomas Rippel bindet die Ammoniak-Gase mit Milchsäurebakterien: Er mischt die Scheiße mit Sauerkrautsaft.

Kampf den Ammoniak-Gasen

Bauer schmeisst Kuhmist mit der Heugabel auf den Misthaufen

Wenn es nach Thomas Rippel geht, wird Kuhmist demnächst mit Sauerkrautsaft gemischt. Bild: © fotolia.de

Der 24 Jahre alte Thomas Rippel weiß im Augenblick selbst nicht so genau, ob er nun Landwirt oder Chemiker ist. Jedenfalls hat ihm seine Tüftelei mit Kuhdung und Sauerkrautsaft hohes Lob und Anerkennung eingebracht. Anfang November 2012 gewann er den Audience Award des Falling Walls Labs in Berlin. Zur Zeit befindet er sich in einer Fachausbildung für biologische dynamische Landwirtschaft bei der Organisation demeter. Deren Philosophie heißt, in der Landwirtschaft einen geschlossenen Kreislauf zu schaffen mit dem Ziel, fruchtbare und „lebendige“ Böden zu erhalten. Dazu gehört für die Bauern auch die Rinderhaltung. Rippel erkannte die Notwendigkeit für die Landwirte, Dung aufzubewahren und zu nutzen. Durch die langen Lagerzeiten geht jedoch ein Großteil wertvoller Inhaltsstoffe verloren, die dann als Ammoniak-Gase in die Umwelt gelangen.

Millionen Liter Sauerkrautsaft

Hier hakte er ein. Der Schweizer weiß aus seiner heimatlichen Umgebung, wie Sauerkraut hergestellt wird. In riesigen Gärsilos wird das Weißkraut einem mehrstufigen Gärprozeß ausgesetzt, dabei Salz zur Entwässerung zugefügt – und somit entsteht als Abfallprodukt Sauerkrautsaft. Davon werden jährlich Millionen Liter in den Fabriken entsorgt. Und genau dieser Sauerkrautsaft enthält die nötigen Milchsäurebakterien.

Die Nährstoffe im Dung sind länger haltbar

Eine „Win-Win-Situation“ in der Landwirtschaft, wie Rippel sagt: „Durch die Zugabe von Sauerkrautsaft und Pflanzenkohle in den Mist und die Gülle verhindert man deren Faulungsprozess, stabilisiert damit die Nährstoffe und baut den Humusgehalt im Boden auf“.  Die Nährstoffe im Dung seien länger haltbar und der ansonsten nicht verwertete Sauerkrautsaft finde neue Verwendung. Der landwirtschaftliche Tüftler hat eine Organisation „Organic Standard“ gegründet, und nun versucht er, mit gleichgesinnten Landwirten seine Idee in der Landwirtschaft breit zu etablieren. Erste interessierte Bio-Bauern hat er bereits gefunden.

Kuhdung auch als Heilmittel?

Was Rippel entwickelt hat, das hat allerdings wenig gemein mit alten volksmedizinischen Überlegungen zur Frage „Kuhdung als Heilmittel“. Irgendwie aber waren die Fladen der Rindviecher schon immer von einiger Faszination: Kuh-Dung und Kuh-Urin (innerlich angewendet !) sollten früher bei Darmerkrankungen helfen, bei Tuberkulose sollten die Kranken ihr Lager im Kuhstall aufschlagen – und bei schweren Alkoholvergiftungen wurden die Patienten bis zum Hals im Misthaufen eingegraben. Aber das waren dann wohl meist innerfamiliäre Racheakte.

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Über Klaus J. Schwehn

Nach 25 Jahren spannender Tätigkeit als Parlamentskorrespondent in Bonn (Badische Zeitung, Die Welt, Berliner Tagesspiegel) lebe ich heute in Oberitalien. Meine Arbeitsschwerpunkte sind Politik und Gesellschaft in Italien und Deutschland; aber auch Fragen der Europäischen Union.