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Solfatara:

Stinkende Vulkandämpfe – besser als Viagra?

Auf den Phlegräischen Feldern nahe Neapel brodelt die Erde, und die Menschen suchen hier Heilung. Doch jetzt warnen die Vulkanologen vor einem Ausbruch.

Die Solfatara nahe Pozzuoli - austretende Schwefeldämpfe.

Schwefeldämpfe der Solfatara sollen verantwortlich sein für die hohen Geburtenraten in Pozzuoli. Bild: © istockphoto.com

Ende Januar 2013 schlugen die Vulkanologen Alarm, aber die Menschen wollten es nicht wahrnehmen. Auf den Phlegräischen Feldern westlich von Neapel, die „unterwandert“ sind von einem mächtigen Vulkan, sei die Gefahr eines Ausbruchs gewachsen. Der Zivilschutz hat die Warnstufe für das Gebiet auf „Achtung“ erhöht, nachdem festgestellt worden war, dass unterirdische Lavaströme – es gibt auch eine Verbindung zum Vesuv – die vorhandenen Reservoirs in einiger Geschwindigkeit aufgefüllt haben. Dass die Menschen dies alles nicht wahrhaben wollen, hat einen besonderen Grund. Die Solfatara, so heißt die Gegend mit der Stadt Pozzuoli als Zentrum, ist ein  besonderer Anziehungspunkt, auch für viele Touristen, sogar mit einem stark frequentierten Campingplatz. Hier brodelt und stinkt es aus zahlreichen vulkanischen Eruptionsfeldern: Dieser Platz wie die Ortschaften rundum können sich über ganz besondere Aufmerksamkeit freuen. Denn die italienischen Gazetten haben es nachgerade herausgeschrieen: Die stinkenden Dämpfe im Krater der Solfatara sollen einen stärkeren Effekt haben als Viagra.

Geburtenrate über dem Durchschnitt in Pozzuoli

„Pozzuoli: glücklicher Sex dank Solfatara“, titelte die römische Tageszeitung La Repubblica, und die neapolitanische Zeitung Il Mattino behauptete: „La Solfatara ist besser als Viagra“. Das wollen italienische und kalifornische Forscher herausgefunden haben. Und die Stadtverwaltung stützt solche Thesen mit Daten aus dem Standesamt. In der Tat liegt die Geburtenrate in der Stadt weit über italienischem Durchschnitt:

Fumarolen und wabernder Untergrund

Dabei hätte der vulkanische Krater von Solfatara solche effekthascherischen Schlagzeilen gar nicht nötig. Denn er ist ein Naturschauspiel, dem sich der Mensch bis auf wenige Meter nähern kann. Vom Campingplatz aus führt ein vielleicht zehn Meter langer sandiger Weg unter Pinien zu dem sich öffnenden Kraterrund mit einem Durchmesser von 770 Metern. Die Fumarolen (Dampfaustrittsstellen) sind abgesperrt, Fußwege führen an waberndem Untergrund sicher vorbei, und durch die Nebelschwaden sieht man in der gegenüberliegenden Kraterwand Reste alten Gemäuers: Das waren in den Felsen gehauene römische Dampfbadstuben. Denn nicht nur die Ärzte von Stauferkaiser Friedrich II, der hier kurte, sondern auch andere Gelehrte hatten bald erkannt, welche Heilkräfte in den vulkanischen Dampfschwaden steckten. Um 1220 verfasste Petrus von Ebulo ein Lehrbuch über die Heilwirkung der Quellen.

Der „Gestank des Teufels“ wird zum Juwel

Die Solfatara entstand während eines Ausbruchs vor etwa 4.000 Jahren. Nicht ganz eindeutig geklärt ist, ob es zu neuerer Zeit, etwa um 1198, einen weiteren Ausbruch gab. Im Krater treten bei Temperaturen um 200 Grad Celsius neben Wasserdampf auch zahlreiche andere Gase aus; beispielsweise Schwefel-, Antimon- und Quecksilberverbindungen. Das alles verbreitet einen leichten, aber penetranten Gestank, den die Einheimischen bisher „Gestank des Teufels“ genannt haben. Jetzt ist das Gas „ein Geschenk und Juwel“.

In der Stadt westlich von Neapel wuchs Sofia Loren auf

Pozzuoli selbst ist 531 vor Christi von Flüchtlingen aus Samos gegründet worden. Der Hafen wurde später ein „Tor zur Welt“ für die Kaufleute aus Kampanien, die von hier aus Handel trieben mit Griechenland und Kleinasien. Heute ist er klein und niedlich; von hier aus lohnt sich ein Ausflug nach Procida, wo große Teile von Massimo Trosis anrührendem Film „Il Postino“ (Der Postmann) gedreht worden sind. Oder auch nach Ischia. Wer die Stadt durchstreift, stößt unweigerlich auch auf das römische Amphitheater Flavium, dessen Souterrain in einer fast 100 Jahre währenden, häufig unterbrochenen „Grabkampagne“ wieder freigelegt und auch rekonstruiert worden ist. Ein eindrucksvolles Areal. In Pozzuoli ist eine Ikone des italienischen Films, Sofia Loren, aufgewachsen. Auch ein Vulkan.

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Über Klaus J. Schwehn

Nach 25 Jahren spannender Tätigkeit als Parlamentskorrespondent in Bonn (Badische Zeitung, Die Welt, Berliner Tagesspiegel) lebe ich heute in Oberitalien. Meine Arbeitsschwerpunkte sind Politik und Gesellschaft in Italien und Deutschland; aber auch Fragen der Europäischen Union.