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Psychotische Infektionen

Folie à Deux: Wenn Wahnsinn ansteckend wirkt

Geteilter Wahn ist doppelter Wahn – so könnte man mit etwas journalistischer Freiheit die „Folie à Deux“ charakterisieren.

Wahnvorstellungen: symbiontischer WahnDiese sozusagen erweiterte Psychose ist auch unter den Begriffen „Geistesstörung zu zweit“, „induzierte wahnhafte Störung“, „gemeinsame psychotische Störung“, „psychotische Infektion“ und „symbiontischer Wahn“ geläufig. Das bedeutet konkret, dass ein tatsächlich psychotisch Erkrankter einen ihn nahe stehenden Menschen erfolgreich mit in sein Wahngebäude hineinzieht, sodass der eigentlich psychisch gesunde Andere seinerseits die massiven Psychosesymptome zeigt. Doch wie kann man den mit Wahn infizierten Patienten wieder aus dem gefährlichen Wolkenkuckucksheim befreien? Und wie kommt es überhaupt zu der mysteriösen Übertragung der psychotischen Realitätsverkennung?

Psychotische Infektion – Ein Fallbeispiel

Harald Z. stand nie wirklich auf der Sonnenseite des Lebens. Von diversen chronischen Krankheiten geplagt, von seiner Frau kalt lächelnd verlassen und in seinem Job durchaus unzufrieden, begab er sich auf die Suche nach einer neuen Frau in seinem Leben. Und er fand sie – in einem internetten Chatroom. Nach dem ersten persönlichen kennen lernen war man sich auf Anhieb sehr sympathisch, und auch im Bett flogen schon bald die Federn. Harald Z. konnte sein Glück kaum fassen, und maß darum den stark schwankenden Launen seiner neuen Traumfrau keine Bedeutung bei. Als wenig später für beide die Kirchenglocken läuteten, hatte der Ahnungslose dann eine Ehefrau mit einer ziemlich dicken psychiatrischen Krankenakte im Haus. Und die neue Frau Z. wartete nicht lange mit einem neuerlichen psychotischen Schub. Dabei gelang es ihr, ihren frisch angetrauten (und inzwischen sexuell hörigen) Ehemann so perfide in ihre Wahnvorstellungen einzubinden, dass auch für ihn die Mauern der Realität bald einstürzten. Die beiden verschanzten sich im Haus und brachen sämtliche Kontakte zu Freunden und Verwandten ab. Harald Z. nahm seine Kündigung später nur noch wie durch einen Schleier zur Kenntnis. Erst als die abstrusen Zustände im Hause Z. durch beunruhigte und verstörte Nachbarn der Polizei zur Kenntnis gelangten, konnten von Amts wegen Maßnahmen ergriffen werden. Die Eheleute wurden in die Psychiatrie gebracht und dort versorgt. Heute ist Harald Z. zwar zum zweiten Mal geschieden, dafür aber, nach einer einfühlsamen Psychotherapie, jetzt wieder psychisch auf dem Damm. Eine Gnade, mit der seine bemitleidenswerte Ex leider nie wird rechnen dürfen.

Wer ist gefährdet?

Die Frau bindet ihren Mann in ihre Wahnvorstellungen mit einEine gewisse psychische Labilität und Störanfälligkeit muss wahrscheinlich vorhanden sein, damit man für einen symbiontischen Wahn anfällig wird. Des Weiteren kann es gefährlich werden, wenn der primär erkrankte Partner eine unwiderstehliche Attraktivität hat, oder eine anderweitige Abhängigkeit schaffen kann. Denn dann erwächst im noch Gesunden eine quälende Trennungs- und Verlustangst, die es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt. Sogar um den Preis der eigenen seelischen Gesundheit. Dieser positiv rückgekoppelte kybernetische Teufelskreis vereitelt zumeist die einzige effiziente Therapie, die in einer rigorosen und konsequenten Trennung vom psychisch gestörten Partner besteht. Selbstverständlich ist der vormals psychisch unauffällige Mensch nach der gewaltsamen Trennung von seinem „Symbionten“ extrem zerbrechlich und stark hilfsbedürftig. Ohne stabilisierende und aufbauende Therapie könnte der ehemals lediglich Infizierte nun selbst zum primär Gestörten werden.

Fazit

Wer um seine nervliche „Anfälligkeit“ weiß, sollte doppelt und dreifach prüfen, wen er in sein Leben einlädt.

Weiterführender Link zum Thema:

Prof. Dr. med. Volker Faust: GEMEINSAME PSYCHOTISCHE STÖRUNG (FOLIE À DEUX)
http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/folie_a_deux.html

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