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Neuromythen auf der Spur:

Gehirnjogging macht nicht klüger

Gehirnjogging, hirngerechtes Lernen – der Machbarkeitsglaube erstreckt sich längst auch auf die Beherrschung unseres Innenlebens. Was ist dran?

Neuromythen - Hirnjogging macht auch nicht schlauerDie neuesten Ergebnisse der neurowissenschaftliche Forschung werden längst nicht mehr nur von Fachleuten diskutiert. Immer öfter ist das Gehirn Thema populärwissenschaftlicher Publikationen und so werden der Nutzen des Gehirnjoggings oder das Geheimnis des „hirngerechten Lernens“ ebenso munter in Wohnzimmern und Cafés erörtert, wie dereinst das Wetter oder die neue Diät.

Ein so komplexes Thema auf smalltalktaugliches Magazinniveau herunterzubrechen führt allerdings dazu, dass mittlerweile unzählige Neuromythen durch die Köpfe schwappen, die einer genauen Betrachtung nicht standhalten.

Wer sein Hirn joggen lässt, wird schlauer

Es ist das ultimative Training für alle, die ihrem Köpfchen auf die Sprünge helfen wollen: das Hirnjogging. Eine gigantische Industrie sorgt mit einem medienübergreifenden Rundum-Paket dafür, dass die Trainingsaufgaben nie versiegen.

Und wer sich auf seinen wohlverdienten Ruhestand freut und noch keine mit Dr. Kawashimas Gehirnjogging bestückte Konsole hat, muss sich nicht wundern, wenn die Hirnleistung bald nachlässt – so wabert es jedenfalls durchs Internet und durch die Gesprächsrunden.

Eine Studie der Cambridge University mit 11.000 Versuchsteilnehmern entzauberte das Hirnjogging nun allerdings, denn: die allgemeine Gehirnleistung wird nicht gesteigert. Was sich verbesserte, war lediglich die Leistung in den getesteten Bereichen.

Hirngerechtes Lernen für maximalen Erfolg

Am hirngerechten Lernen kommt kaum noch jemand vorbei – zumindest niemand, der sich von dem Versprechen locken lässt, seine Hirnkapazität bis zum letzten Quäntchen nutzen zu können.

Auf die Lernwilligen prasselt eine Flut von Lerntipps ein und das, was sie mit diesem Know-how zu leisten im Stande sein sollen, scheint immens zu sein. Nicht nur die Gehirnentwicklung soll optimiert werden, auch Legasthenie oder Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS) soll damit beizukommen sein.

Fachleute bezweifeln indes, dass der Weg zum Superhirn so einfach ist. Sie verweisen darauf, dass das Gehirn selbst keinen Einfluss auf seine Funktion nehmen und es daher auch nicht beeinflussen könne, wie die Lerninhalte am besten aufbereitet werden müssten, damit sie optimal aufgenommen werden können. Die Forscher widersprechen damit der Annahme, dass man sein Gehirn beliebig manipulieren kann.

Wenn man das Hirn schon nicht beliebig zum besseren Lernen anhalten kann, dann aber wenigstens in Grenzen, hört man den einen oder anderen rufen. Nur Mut: Ausprobieren heißt, eigene Forschung zu betreiben mit sich selbst als Forschungsobjekt. Spaß am Lernen scheint immer noch die eigenen Kapazitäten am besten zu aktivieren.

Unser Gehirn funktioniert wie ein Computer

Zu Beginn des Industriezeitalters nutzte man die Maschine als Metapher fürs Gehirn, heute ist es der Computer – und in Zukunft? Zugegeben, der Vergleich ist verlockend, weil er suggeriert, dass man die Funktionsweise des Gehirns versteht, und gewisse Parallelen sind sicher nicht von der Hand zu weisen. Dennoch ist die Funktion des von Menschen entwickelten Computers nicht einmal ansatzweise so komplex wie die seines Gehirns.

Und während der PC überwiegend unerfahrene Nutzer vor unlösbare Rätsel stellt, haben Neurowissenschaftler das Gehirn trotz aller Forschungsanstrengung bislang nur zu einem Bruchteil durchschaut.

Buchtipp:Die Neurogesellschaft: Wie die Hirnforschung Recht und Moral herausfordert“ (ISBN 978-3936931679 ) von Stephan Schleim. Das Buch ist erschienen im Heise Medien Verlag und kostet 18,90 Euro.

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