Startseite / Wissenschaft / Psychologie / Wenn der Kaufrausch außer Kontrolle gerät

Suchtverhalten:

Wenn der Kaufrausch außer Kontrolle gerät

In einen Kaufrausch kann jeder verfallen. Kritisch wird es nur dann, wenn es sich um eine Zwangsstörung handelt, die psychisch belastet.

Junge Frau bestellt per Handy und Scheckkarte beim Homeshopping Sender

Voll im Kaufrausch – Wer unter Kaufsucht leidet, hat sein Kaufverhalten nicht mehr unter Kontrolle.
Bild: © picture alliance / Arco Images GmbH

Wer noch nichts gekauft hat, was er eigentlich gar nicht braucht, der werfe den ersten Stein. Da greift man im Laden mal impulsiv zu einer Ware, die unnötig ist oder bestellt voreilig etwas im Internet, das man sich bei genauerem Überlegen auch hätte sparen können. So oder so ähnlich ist es mit Sicherheit schon fast jedem von uns ergangen und im Grunde ist das auch nicht schlimm. Problematisch wird es nur dann, wenn sich das Einkaufen zu einer Sucht entwickelt und dies ist gar nicht so selten: Etwa fünf bis acht Prozent der Deutschen gelten als gefährdet.

Keine offizielle Suchterkrankung

Viele kennen die Kaufsucht von sich selbst, vom Partner oder von Bekannten, es gibt sie, das weiß jeder, aber dennoch ist sie offiziell nicht als Suchterkrankung anerkannt. Es gibt keinen Diagnoseschlüssel, schon gar keine Medikamente und auch keine standardisierte Behandlungsmöglichkeit, die gegen die Symptomatik des Einkaufens gerichtet ist. Lediglich die Anerkennung als Zwangsstörung hat sich die Kaufsucht „erarbeiten“ können und findet möglicherweise eine Lösung in einer psychotherapeutischen Verhaltenstherapie. Doch bis dahin ist es nicht selten ein langer Weg, der meistens eine Spur von Schulden hinter sich herzieht.

Kaufsucht kann jeden Treffen

Wie viele Kaufsüchtige es in Deutschland gibt, können auch Experten nur schätzen. Entsprechend geht man davon aus, dass etwa fünf bis acht Prozent der Menschen gefährdet sind. Was man hingegen sicher weiß, ist, dass niemand vor der Verhaltensstörung gefeit ist. Kaufsüchtige sind unter allen Bevölkerungsschichten zu finden, vom promovierten Akademiker bis zum Hilfsarbeiter, unter Männern ebenso wie unter Frauen und von Jung bis Alt. Bei der Kaufsucht selbst, geht es dann auch nicht mehr um die Produkte, sondern um das Kaufen an sich. Ob jemand ständig Dinge kauft, die er nicht braucht, Tütensuppen in einer Menge hortet, wie sie eine ganze Familie nicht in zehn Jahren verbrauchen könnte oder die Regale unter der Last der Bücher oder DVDs zusammenbrechen: Unterm Strich geht es um den Kick beim Kauf, der mit dem von Drogen verglichen werden kann.

Starke psychische Belastung

Psychologen vergleichen das Gefühl beim Kaufrausch mit dem eines Orgasmus. Der Kaufende erlebt einen Trip, der glücklich macht. Das verheerende daran ist jedoch, dass wie bei den Drogen auch eine Phase des Absturzes folgt. Reue, Schuldgefühle bis hin zu Depressionen können das Leben des Betroffenen erschweren und bei nicht wenigen geht die Problematik gar so weit, dass sie an Selbstmord denken. Der einzige Ausweg aus dem Tief ist dann ein erneuter Kaufrausch. Der Teufelskreis ist geschaffen und die Schulden können dann entsprechend mitwachsen. Wie Psychologen bemerken, haben Kaufsüchtige häufig ein geringes Selbstbewusstsein, meist auch Depressionen oder Ängste, alles Symptome, die der Hilfesuche im Weg stehen können. Doch die Hilfe ist bei der Kaufsucht besonders wichtig, weil es nur die Wenigsten aus diesem Teufelskreis alleine herausschaffen. Vielversprechender sind dann schon Verhaltenstherapien oder auch Selbsthilfegruppen. Was allerdings wie bei jeder Sucht von größter Bedeutung ist, ist der Wille des Betroffenen aus seinem Suchtverhalten auszubrechen und im Idealfall mit Unterstützung der Familie oder Freunden den Weg aus der Kaufsucht zu bestreiten. Denn auch wenn diese keine offizielle Erkrankung ist, dann doch zumindest eine ernstzunehmende.

Buchtipp:Kaufsucht: Mein Leben durch die Hölle“ (ISBN 978-3981084962) von Sieglinde Zimmer-Fiene (Autorin). Das Buch ist erschienen im Tinto Verlag und kostet 16,95€.

© Pixel Trader Ltd. 2013 Alle Rechte vorbehalten

Über Stephan Lenz

Stephan Lenz studierte Philosophie, Soziologie und Anglistik an der Universität Mannheim. Es folgten schriftstellerische Fortbildungen und die freiberufliche Arbeit als Autor und Journalist. Neben unzähligen Artikeln in diversen Magazinen, veröffentlichte er Prosa im Charon Verlag, Hamburg, sowie im Wortkuss-Verlag, München. Er gehört seit vielen Jahren zum festen Stamm der Redaktion des Artikelmagazins.